Die Öl- und Gasbranche drängt darauf, dass Fracking nicht mehr als Risikotechnologie bewertet wird
Das ARD-Magazin Panorama bringt neuen Schwung in die Diskussion um das neue Fracking-Gesetz. In einem Beitrag vom 4. September wurde behauptet, das Bundesumweltamt gebe den Inhalt von Studien falsch wieder. Fracking sei eigentlich keine Risikotechnologie. Die deutsche Wirtschaft fordert nun lauthals, die Technologie endlich zuzulassen.
Der Panorama-Bericht handelte davon, dass die Fracking-Technologie keine Risikotechnologie sei und nicht mehr Gefahren berge als andere Technologien auch. Die Journalisten befragten dazu einige Sachverständige, die auch für das Bundesumweltamt Gutachten erstellt haben: Gefahren für das Trinkwasser seien übertrieben worden, die Erdbebengefahr sei nur gering. Der Hydrogeologe Uwe Dannwolf wird mit den Sätzen zitiert: „Wir haben keine Null-Risiko-Gesellschaft. Alle Energieträger und deren Förderung haben Risiken.“ Die Gesellschaft müsse nüchtern entscheiden, bis zu welchem Level die Risiken toleriert werden sollen.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Umweltministerin Barbara Hendricks (beide SPD) wollen noch in diesem Monat einen Gesetzentwurf vorlegen, der die kommerzielle Nutzung der Fracking-Technologie in Deutschland vorerst unmöglich macht. Dabei stützen sich die beiden Minister auf Gutachten und Empfehlungen des Bundesumweltamtes (UBA), das vom Panorama-Bericht angegriffen wurde.
Die Präsidentin des UBA, Maria Krautzberger, hatte Ende Juli darauf hingewiesen, dass es in Deutschland noch keine klaren gesetzlichen Vorgaben für die Fracking-Technologie gebe. Die Nutzung sei lediglich durch ein Übereinkommen von Politik und Wirtschaft ausgesetzt. Diesen äußerst unbefriedigenden Zustand solle der Gesetzgeber schnell beenden. Krautzberger sagte: „Fracking ist und bleibt eine Risikotechnologie.“ Solange sich wesentliche Risiken noch nicht sicher vorhersagen oder beherrschen ließen, sollte es in Deutschland kein Fracking zur Förderung von Schiefer- und Kohleflözgas geben.
Der Öl- und Gasbranche geht das zu weit. Der Verband Erdöl- und Erdgasgewinnung schimpft, der Politik gehe es nicht um eine offene Diskussion, das UBA würde nur einen politisch vorgegebenen Kurs untermauern wollen. Es sei wichtig, die unkonventionellen Gasvorkommen in Deutschland zu erforschen, sagte Rainer Seele, Chef des Gasproduzenten Wintershall. Immerhin wüssten wir nicht, „welche Ressourcen uns in Zukunft noch zur Verfügung stehen“. Um uns wirtschaftlich weiterentwickeln zu können, müssten wir gegenüber neuen Technologien offen sein, sagte der stellvertretende DIHK-Geschäftsführer Achim Dercks.
Der hessische FDP-Fraktionschef Florian Rentsch schnaufte wütend los und forderte Krautzberger auf, ihre „nachweislich falschen Behauptungen zurückzunehmen“. Sollte sie es nicht tun, müsse sie entlassen werden. Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion Joachim Pfeiffer meint: „Es kann nicht sein, dass Tatsachen einfach verbogen und Denkverbote verhängt werden – nur um ein Fracking-Verbot politisch durchzubekommen.“
Das UBA reagierte umgehend auf den Panorama-Bericht. Der Beitrag hätte einen Eindruck erzeugt, wonach sich aus den Gutachten keine unbeherrschbaren Risiken ableiten ließen, schreibt das Amt in einer Pressemitteilung. Diese Darstellung sei aber irreführend, zumal sich die Panorama-Redaktion nur auf ein Teilgutachten bezogen hätte. Zudem bestehen eine Reihe an Wissenslücken, die Risiken für Mensch und Umwelt bergen könnten.
Völlig ungeklärt sei die Aufbereitung des sogenannten Flowbacks. Das ist die Spülflüssigkeit, die während des Bohrens und Frackens in den Untergrund eingebracht werden und kurz danach wieder austritt. Dieses Gemisch enthält nicht nur die Chemikalien, die zum Fracken verwendet werden, sondern weitere, zum Teil giftige Substanzen aus dem Untergrund wie Schwermetalle, aromatische Kohlenwasserstoffe oder örtlich sogar radioaktive Substanzen. In Deutschland sei der Flowback bisher nicht aufbereitet und wiederverwendet worden, weshalb diesbezügliche Erfahrungswerte fehlen.
Ein völliges Verbot der Fracking-Technologie hat auch das UBA nicht ins Spiel gebracht. Stattdessen soll die Technologie getestet und wissenschaftlich begleitet werden. Außerdem sollen Probebohrungen durchgeführt werden, wenn ungiftige Chemikalien in den Boden eingebracht werden, hatten Gabriel bereits vor Monaten angekündigt.
Exxon-Mobil will es jetzt tatsächlich geschafft haben, eine Frack-Flüssigkeit zu entwickeln, die nur zwei unbedenkliche Chemikalien enthalten soll. „Das ist uns im Labor gelungen. Wir wollen diese Flüssigkeiten jetzt in Pilotprojekten erproben“, sagte Gernot Kalkoffen, Deutschland-Chef des Konzerns. Die Wasserwirtschaft bleibt indes skeptisch. Henning Deters, Vorstandschef von Gelsenwasser, dem größten Trinkwasserlieferanten Deutschlands, sagte: „Wenn jemand sagt, dass er es ohne Chemie machen kann, muss er das zeigen.“ Doch das habe bisher noch niemand gesehen, auch nicht im Labor.
Artikel zuerst veröffentlicht: Unsere Zeit, Nr. 38/2014
Bild: Enormer Flächenverbrauch durch tausende Bohrlöcher beim Fracking. Amy Youngs/flickr.com (CC BY-NC-SA 2.0)