Paris hat wieder Schlagzeilen gemacht, aber diesmal sind es scheinbar gute. Vergangenen Samstag haben die Vertreter aus 196 Ländern den Weltklimavertrag beschlossen, der nichts weniger tun soll, als unsere Welt zu retten. Kaum war das Votum der Abstimmung verkündet, wurde dem Ereignis auch sofort das Etikett „historisch“ angeheftet.
Ob es das auch verdient, wird sich in den nächsten Jahren zeigen müssen. Skeptisch sollte man auf jeden Fall sein. In seiner Abschlussrede machte der französische Außenminister Laurent Fabius, deutlich, dass es sich bei dem Vertragswerk wohl nur um einen Kompromiss handelt, der am Ende mehr verspricht als er auch halten kann. Fabius erklärte, jede Delegation – egal ob Klimasünder oder Opfer des Klimawandels – könne mit erhobenen Kopf nach Hause fahren. Wenn die Frankfurter Allgemeine Zeitung (14.12.15), dass man so einen Minimalkompromiss umschreibt, kann man ihr sicherlich beipflichten.
Historisch ist das Abkommen von Paris jedenfalls nicht, weil es von allen 196 Staaten unterzeichnet wurde. Das Kyoto-Protokoll hatte damals auch diesen Rückhalt bei den Verhandlungen in Japan. Selbst der damalige US-Vizepräsident Al Gore hatte das Abkommen im Namen der Vereinigten Staaten unterzeichnet. Allerdings wurde es nicht vom Senat ratifiziert. Dieses Problem steht auch dem Paris-Abkommen bevor: Es tritt erst in Kraft, wenn es mindestens von 55 Staaten, die zusammen 55 Prozent des Ausstoßes von Treibhausgasen verantwortlich sind, in nationales Recht verwandelt wird. Hinter der Frage, was geschieht, wenn sich die großen Verschmutzer verweigern, steht ein großes Fragezeichen. Und diese Frage ist nicht unberechtigt, denn selbst die deutsche Stiftung Wissenschaft und Politik meinte erst im November, dass nach der Amtszeit von Barack Obama in Sachen Klimaschutz nichts Großes mehr zu erwarten sei. Das Jahr 2017 könnte so viel eher als Schicksalsjahr für die Welt bezeichnet werden.
1,5 Grad sind nicht einzuhalten
Große Ziele haben die Delegierten der Menschheit mit auf den Weg gegeben. Allerdings haben sie nicht verraten, wie sie erreicht werden könnten. Die Bestätigung des Zwei-Grad-Zieles klingt gut, und viel besser klingt, dass die Staaten Vorkehrungen treffen sollen, um die Erderwärmung gar nur auf 1,5 Grad zu beschränken. Bisher sieht es aber gar nicht danach aus, dass beide Wegmarken auch erreicht werden könnten. Nach den Zielen, die sich die Staaten selbst gesetzt haben, steuern wir auf plus drei Grad und mehr zu.
Der Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber, gibt sich in einem Interview mit der FAZ bewusst optimistisch. Doch auch er muss gestehen, dass wir die Ziele wohl nur erreichen, wenn wir eines Tages damit beginnen, aktiv Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen. Negative Emissionen nennt er das, und das man sie braucht, ist schon Zeichen genug, dass man noch erschreckend lange auf Kohle und Öl setzen wird. Sie könnten sich aber auch bald als bloßes Hirngespinst von Leuten entpuppen, die nicht bereit sind, konsequente Schritte zu unternehmen. Wenn es nach ihnen geht, sollen irgendwann in großer Menge Wälder angepflanzt werden, die dann wieder abgeholzt und verbrannt werden. Das entstehende Kohlendioxid würde dann in die Erde gepresst und – sofern überhaupt möglich – dauerhaft gespeichert. Doch woher sollen die dafür notwendigen Flächen genommen werden, die laut Stiftung Wissenschaft und Politik anderthalb mal so groß sein müssten wie Indien? Und das, obwohl die Erdbevölkerung auch weiterhin in rasantem Tempo wächst und in wenigen Jahrzehnten die Neun-Milliarden-Marke erreichen wird.
Weltklimavertrag begünstigt die Industrieländer
Die Entwicklungsländer haben sich wieder einmal übertölpeln lassen: Unvermeidliche Schäden werden in Zukunft anerkannt, aber niemand wird dafür haftbar gemacht oder muss Schadensersatz leisten. Obwohl die Industrieländer für rund 80 Prozent des Kohlendioxids verantwortlich sind, dass seit der Industrialisierung in die Atmosphäre gepustet wurde, und den Klimawandel erst ausgelöst haben, sind damit fein raus. Die USA hatten befürchtet, dass auf sie eine wahre Klageflut zukommt. Nun wird sie ausbleiben.
Für die Jahre von 2020 bis 2025 müssen die Industrieländer jährlich 100 Milliarden Dollar zusätzlich zur Verfügung stellen, damit sich die armen Länder an den Klimawandel anpassen können. Andere Länder sind dazu eingeladen, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Wie es ab 2026 weitergehen wird, ist weitgehend offen: Zwar sollen dann mehr als 100 Milliarden Dollar im Jahr aufgebracht werden, aber es wurde nicht festgelegt, wieviel und wer zahlen soll. Fest steht bisher nur, in den armen Ländern sollen die Profitbedingungen für westliche Konzerne verbessert werden, denn auch ihre Investitionen werden als Hilfen bewertet.
Zuerst veröffentlicht in überarbeiteter Version: Unsere Zeit (18.12.2015)
Bildquellen
- Clean me COP21. Let’s go fossil free.: Alisdare Hickson/flickr.com | CC BY-SA 2.0