Rechtspopulistische Parteien sind europaweit im Aufschwung. Front National in Frankreich, Partij voor de Vrijheid in den Niederlanden, UKIP in Großbritannien und Fidesz in Ungarn sind bekannte Beispiele. Die Wut vieler Menschen auf zunehmende soziale Unsicherheit, gierige Banker und korrupte Politiker ist für sie ein idealer Nährboden gewesen. Bei uns haben vor allem Pegida und die Wahlerfolge der Alternative für Deutschland (AfD) die politische Landschaft aufgeschreckt. Die Abwanderung tausender Wähler aus dem linken in das rechte Lager hat verdeutlicht, dass linke Organisationen und Parteien in der Bundesrepublik deutlich an Einfluss verloren haben.
Über die Ursachen wird seit längerem diskutiert, ebenso darüber, wie der Trend umzukehren ist. Der Sozialwissenschaftler Thomas E. Goes und die Linken-Politikerin Violetta Bock haben mit ihrem Buch »Ein unanständiges Angebot? Mit linkem Populismus gegen Eliten und Rechte« einen weiteren Beitrag zur Debatte vorgelegt. Es ist ein umstrittenes Thema: Für die einen handelt es sich um die Abkehr von emanzipatorischer Politik, andere sehen im Linkspopulismus den einzigen Schlüssel zum Erfolg. Populismus ist für die Autoren nicht »Lüge, Vereinfachung und Verkürzung oder schlicht Stimmungsmache mit Hilfe von Vorurteilen« (S.29). Sie verstehen darunter eine Methode der politischen Kommunikation, eine besondere Art, »politische und soziale Interessen auszudrücken«. Klare Gegnerschaften seien für den Populismus typisch: Auf der einen Seite stehe das rechtschaffende Volk, auf der anderen Seite stünden Konzerne, Bürokraten und politische Eliten, die sich gegen dessen Interessen wendeten. Populismus sei an sich weder rechts noch links, komme aber in beiden Spielarten vor.
Das Buch fordert die Linken auf, ihre selbst verschuldete Schwäche zu überwinden. Dabei argumentieren die Autoren schlüssig: Nichts ist wichtiger auf dem Weg zum Erfolg als den akademischen Elfenbeinturm zu verlassen und sich den realen Bedürfnissen der Massen zu stellen: »Menschen neigen dazu, eher unter schimmeligen Wänden in der eigenen Wohnung, an niedrigen Löhnen oder an Respektlosigkeit und Demütigungen zu leiden als an den Strukturen ›des Kapitalismus‹, ›des Rassismus‹ oder ›des Patriarchats‹« (S.49). Und Linke müssen toleranter werden: Die von den Menschen formulierte Kritik sei oftmals keine »blitzsaubere theoretische«, sondern sehr praktisch und zum Teil »verkürzt«. Die Kunst linker Politik bestehe darin, an dieses Denken anzuknüpfen und »dabei tastend Schlüssel zu finden, wie die rückschrittlichen Elemente isoliert oder marginalisiert, die fortschrittlichen aber zur Entfaltung gebracht werden können« (S.51).
Boes und Bock geben sich nicht der Illusion hin, sie hätten einen schnellen Weg gefunden, den Rechtstrend zu stoppen oder den neoliberalen Eliten zu begegnen. Angesichts der Schwäche der Linken in Deutschland müsste »mit radikaler Geduld an mehreren Fronten« (S.94) gearbeitet und organisiert werden. Erfahrungen der spanischen Bewegung Podemos oder aus der Kampagne des US-Senators Bernie Sanders bieten ihnen wichtige Anregungen, die sie im letzten Kapitel zu sieben Thesen eines »popularen Sozialismus« zusammenfassen.
Leider blicken die Autoren nicht zurück in die Geschichte linker Bewegungen im eigenen Land. Beispielsweise vermochten es sowohl Sozialdemokraten als auch Kommunisten in der Weimarer Republik, Hunderttausende in den eigenen Reihen zu organisieren und noch viel mehr für politische Aktionen zu mobilisieren. Der von beiden Autoren empfohlene Populismus, spielte damals eine herausragende Rolle. Wer heute eine starke, volksnahe linke Bewegung möchte, kann diese Erfahrungen jedenfalls nicht ignorieren.
Das Buch eröffnet dennoch die Möglichkeit wieder darüber zu diskutieren, welche Form des Auftretens und welche Methoden der Organisation erfolgversprechend sind. In der heutigen Zeit ist diese Diskussion nötiger denn je.