Überaus sozial – überaus arm

Ein starkes Stück: diejenigen, die heutzutage „die Alten“ pflegen, werden sich für ihren eigenen Lebensabend keine Pflege leisten können – bei Weitem nicht. Eher das Gegenteil wird der Fall sein. Wo ist da die Gerechtigkeit, wo ist da die angemessene Würdigung der geleisteten Arbeitsjahre? Aber sie werden nicht die Einzigen sein, wie eine Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung kürzlich zeigte: Auf Erzieherinnen und Erzieher trifft das Gleiche zu – auch sie werden ‚alt aus der Wäsche gucken‘.

Sollten sich die heutigen Lohn-und Arbeitsbedingungen nicht wesentlich ändern, so werden all die fleißigen Bienchen in Krippen, Kindergärten und Pflegeheimen genau dann in kleinen Sozialbehausungen wohnen und sich bei den Warteschlangen der Tafeln einreihen dürfen, wenn sie eigentlich ihren Ruhestand hätten genießen sollen.

Eine Vollzeitbeschäftigung, die obendrein noch so gut vergütet wird, dass sie vor Altersarmut schützt, ist eine Seltenheit. Prekäre Arbeitsverhältnisse sind dagegen an der Tagesordnung. Von allen, die in der Kindererziehung tätig sind, arbeiten mehr als 60 Prozent Teilzeit oder werden geringfügig entlohnt. In der Altenpflege sind es sogar 68 Prozent.

Freuen könnte man sich natürlich darüber, dass von den Erziehern wenigsten gut drei Viertel in einem tarifgebundenen Betrieb beschäftigt sind, und wenn sie 38,5 Stunden in der Woche arbeiten dürften, durchschnittlich 2500 Euro im Monat verdienen könnten. Aber was nutzt es, wenn weit weniger als die Hälfte auf diese Stundenzahl kommt? Auch aus dem Pflegebereich ist seit Jahren bekannt und wird in der Studie nochmals bekräftigt, dass gerade die, die nur in Teilzeit arbeiten dürfen, keine existenzsichernde Entlohnung haben und mit Renten an der Armutsgrenze rechnen müssen.

Wir leben in einer älter werdenden Gesellschaft – das ist bekannt. Auch wenn deshalb die Pflege- und Gesundheitsberufe zu den besonders zukunftsträchtigen Wirtschaftsfeldern zählen, finden sich nicht genügend junge Menschen, die diese Berufe ergreifen wollen. Da hilft auch alles Jammern nicht: Wenn in 20 Jahren wirklich eine halbe Million Pflegekräfte fehlen, liegt es nicht am schlechten Ruf dieser Arbeiten, wie manche Zeitungen uns glauben machen wollen.

Ordentliche Arbeit will auch ordentlich bezahlt sein, und wer ordentliche Arbeit leistet, soll auch im Alter nicht am Bettelstab gehen müssen. Wenn das beherzigt wird, werden sich auch mehr junge Menschen in den sozialen Berufen ausbilden lassen.

Zuerst veröffentlicht in: Unsere Zeit, Nr. 11/2015