Trotz guter Wirtschaftszahlen nimmt Armut in Deutschland zu

Die Deutschen Tafeln gibt es nunmehr über 20 Jahre und sie taugen immer noch als Kompassnadel für gesellschaftliche Entwicklungen. Not wird bei ihnen sichtbar. Anlässlich seines „Jubiläums“ hat der Bundesverband kritisch Bilanz gezogen.

Seit längerem sei die Tendenz zu beobachten, dass neben den erwerbslosen Empfängern von Arbeitslosengeld II auch zunehmend Menschen kommen, die Arbeit haben. Vor allem sind es Alleinerziehende mit ihren Kindern, prekär Beschäftigte und Teilzeitkräfte. Ein neuer Trend sei, dass immer mehr Studenten die kostenlosen Essensausgaben benötigen.  „Wir erleben, dass Armut und Armutsbedrohung weiter in der Gesellschaft verbreitet ist, als die Bundesregierung in ihrem Armuts- und Reichtumsbericht vermittelt“, so Jochen Brühl, Vorsitzender des Bundesverbands bei der Jahrespressekonferenz in Berlin.

„Es entsetzt uns, dass immer mehr Menschen von Armut betroffen sind, obwohl Deutschlands Wirtschaftszahlen gut sind“, erklärte Brühl weiter. Bislang werden rund 1,5 Millionen Menschen über die 916 Tafeln in Deutschland mit Nahrungsmitteln versorgt, die ansonsten weggeworfen werden würden. Die Dunkelziffer der Bedürftigen sei aber weit höher, heißt es im letzten Jahresbericht. Je nach Studie leben heute zwischen zwischen zwölf und 16 Millionen Menschen in Deutschland in Armut oder sind unmittelbar von ihr bedroht, heißt es dort weiter.

Gestützt werden die Aussagen durch das Statistische Bundesamt. Dieses hatte eine EU-weite Erhebung aus dem Jahr 2012 ausgewertet und wichtige Daten zur Armut in Deutschland deutlich gemacht. Demnach lebte ein Drittel der Menschen in Deutschland in Haushalten, die nicht in der Lage waren, unerwartete Ausgaben oder Reparaturen von mehr als 940 Euro aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Fast ein Viertel musste aus finanziellen Gründen auf Urlaubsreisen verzichten. Jedem Zwölften war es ebenfalls aus finanziellen Gründen nicht möglich, mindestens jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit mit Fleisch, Geflügel, Fisch oder einer entsprechenden vegetarischen Kosten einzunehmen.

Schulische und berufliche Ausbildung sei der beste Schutz vor Armut, erklärte der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), als sein neuer „Monitor Jugendarmut“ kürzlich vorgestellt wurde. Doch stehe der Weg zur Bildung nicht jedem offen. Es gibt laut BDKJ nicht genügend Ausbildungsplätze: Auf 100 Bewerber entfielen 2013 nur 88,3 Ausbildungsangebote und damit noch weniger als ein Jahr zuvor. Jugendliche mit Migrationshintergrund hätten es viel schwerer als ihre deutschen Altersgenossen, eine Ausbildung zu beginnen. Von ihnen begannen 2012 nur 29 Prozent erfolgreich eine Ausbildung, während es bei den deutschen Jugendlichen immerhin 44 Prozent waren.

Es sei die Aufgabe des Staates, eine ausreichende soziale Grundsicherung zu gewährleisten, die jedem ein menschenwürdiges Auskommen ermöglicht, mahnt Jochen Brühl. Die Einführung eines Mindestlohns sei ein erster richtiger Schritt, aber nur ein Baustein bei der Bekämpfung der Armut. Ein weiterer könnte der Vorschlag von Simon Rapp, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit e. V. (BAG KJS), sein. Er forderte ein Recht auf Ausbildung, dass gesetzlich verankert ist.