Stiftung für Atomkraftwerke

Die Atomkonzerne E.on, RWE und EnBW haben der Bundesregierung ein unmoralisches Angebot unterbreitet: Die Konzerne wollen ihre Atomkraftwerke an den Staat abtreten und dieser soll die Anlagen auf eigene Kosten abreißen und entsorgen. Dazu soll eine öffentlich-rechtliche Stiftung gegründet werden.

Eigentlich sei der Vorschlag Schweinkram, sagt Felix Matthes, Forschungskoordinator für Energie- und Klimapolitik beim Öko-Institut. Es gelte das Prinzip, dass jeder für die Folgen seines Handelns aufkommen muss. Aus der CDU kamen dagegen verständnisvolle Signale. Generalsekretär Peter Tauber sagte nach einer Präsidiumssitzung, man könne über alles reden, aber es müsse zunächst darum gehen, die Energieunternehmen nicht aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) zeigte sich offen für Gespräche mit den Betreibern. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, der wegen seiner Nähe zu den Energiekonzernen von Umweltorganisationen kritisiert wird, lobte den Vorschlag.

Die Atomkonzerne sind verpflichtet, Rücklagen für Abriss und Entsorgung der Reaktoren anzulegen. Zusammen haben die Konzerne rund 36 Milliarden Euro zurückgelegt, die sie in die Stiftung einbringen wollen. Doch Experten sind sich sicher, dass die Summe nicht ausreichen wird. Die Kosten für den Abriss der Atomkraftwerke, der Entsorgung und der Risikorücklagen werden auf rund 44 Milliarden Euro geschätzt; könnten aber auch höher ausfallen. Die Differenz müsste durch Steuergelder ausgeglichen werden.

Die Endlagerung des Atommülls ist zu einem unkalkulierbaren finanziellen Risiko für die Konzerne geworden, weshalb sie dieses gern dem Staat zuschieben wollen. Bisher ist ungeklärt, wo der strahlende Müll hin soll. Seit 30 Jahren wird der Salzstock in Gorleben untersucht und seine Eignung ist zweifelhaft. Vor einem Jahr hatte die Bundesregierung dann beschlossen, auch in anderen Bundesländern nach Endlagerstätten zu suchen. Bis 2031 soll eine gefunden werden, doch allein die Erkundung einer möglichen Lagerstätte kostet über eine Milliarde Euro. Der Bau des Endlagers wäre ungleich teurer; niemand kann sagen ob es zehn oder 20 Milliarden Euro oder noch mehr kosten wird.

Die Umweltorganisation Greenpeace bringt einen eigenen Vorschlag in die Debatte ein. Die Atomkonzerne sollen ihre Rückstellungen schon jetzt in einen öffentlich-rechtlichen Fond einbringen, aber nicht aus der Verantwortung für die Folgen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit entlassen werden. Dass der Vorschlag von der Atomwirtschaft abgelehnt wird, verwundert nicht, wollen die Energieerzeuger die Rückstellungen nur aufgeben, wenn sie alle weitere Kosten und Risiken auf den Staat übertragen können.

Die Sicherung der Rückstellungen ist besonders wichtig, denn die Konzerne erwirtschaften wegen der Energiewende immer weniger Profite. Ginge ein Konzern pleite, wären auch die Rückstellungen verloren, heißt es in der Debatte. Der Staat müsste in diesem Fall die Kosten tragen. Schon jetzt ist es nicht allen möglich, die gebildeten Rückstellungen in einen Fond einzuzahlen. RWE müsste beispielsweise erst neue Aktien ausgeben und frisches Kapital einsammeln.

Greenpeace sieht in den Rückstellungen einen Wettbewerbsvorteil für die AKW-Betreiber. Das Forum für Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) hat in einer Studie berechnet, dass diese  rund 68 Milliarden Euro Gewinn aus den Rückstellungen erwirtschafteten. Der aktuelle Vorschlag von RWE, Eon und EnBW würde die Gewinne lediglich sichern, sagt Tobias Riedl, Atomexperte von Greenpeace. „Umweltministerin Barbara Hendricks muss diesen Wettbewerbsvorteil beenden, den Konzernen die Rückstellungen entziehen und deren langfristige Haftung für die Atom-Altlasten sicherstellen”, so Riedl weiter.

Um ihren Vorschlag für die Bundesregierung attraktiver zu machen, haben die Konzernvorstände in Aussicht gestellt, Klagen gegen die Bundesregierung fallen zu lassen. Derzeit klagen sie aussichtsreich gegen die Brennelementesteuer und die Zwangsabschaltung einiger Atomkraftwerke nach der Fukushima-Katastrophe. Die Energieerzeuger fordern in mehreren Klagen rund 15 Millarden Euro Schadensersatz von der Regierung. So klagen RWE und E.on vor dem Bundesverfassungsgericht, weil sie im schnellen Atomausstieg nach Fukushima einen unzulässigen Eingriff in das Eigentumsrecht sehen. Vattenfall klagt vor einem Schiedsgericht in Washington und fordert rund drei Milliarden Euro wegen der vorzeitigen Stilllegung der beiden Atommeiler Krümmel und Brunsbüttel.

zuerst veröffentlicht: Unsere Zeit, 23. Mai 2014