Sexismus in der Werbung soll verboten werden – endlich. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf will Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) demnächst vorlegen. Mit einer Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb sollen künftig Plakate und Anzeigen unzulässig werden, die Frauen oder Männer auf Sexualobjekte reduzieren.
Sexismus in der Werbung formt gesellschaftliche Rollenbilder
Frauen würden in der Werbung zu oft als „Dekoration“ gelten, schreibt die Organisation „Pinkstinks“, die ebendieses Verbot seit langem fordert. Andere Werbungen zeigen Frauen „als sexuell verfügbar, als eher für den Haushalt zuständig, als weniger technisch begabt“. Damit seien weitere Eigenschaften verbunden wie „weniger kompetent“, „dümmlich“, „leicht zu haben“, weil Frauen weniger meinungsstark und autoritär dargestellt würden. Auf ihrer Internetseite zeigt Pinkstinks einige Beispiele – eines davon von „Dolce & Gabbana“ mit einer Szene, die auch eine Vergewaltigung zeigen könnte.
Geschlechterdiskriminierende Werbung sei problematisch, weil Werbung nicht nur ein Spiegel der Gesellschaft sei, der bereits existierende Verhaltensmuster reflektiere, sondern „eine aktive Rolle im Rahmen der Konstruktion und Verfestigung von Geschlechtsrollenstereotypen“ spiele, heißt es weiter bei Pinkstinks. Doch das sieht so mancher Politiker oder Werbefachmann anders: Maas, der sich von Pinkstinks beim Gesetzesentwurf beraten ließ, wird deshalb von ihnen angefeindet.
Die Werbung sei gar nicht so schlimm, wie behauptet, meinte auch Ralf Nöckler, Geschäftsführer des Gesamtverbandes Kommunikationsagenturen (GWA) in einem Interview mit tagesschau.de. Maas wolle Geschmacksfragen regulieren. Das Ende vom Lied könnte die „Einführung der Zensur durch die Hintertür sein“. Diesen Weg zu beschreiten, müsse aber nicht sein. Die Selbstkontrolle funktioniere doch: 90 Prozent der Kampagnen, die der Werberat gerügt habe, seien von den Unternehmen zurückgenommen oder stark verändert worden. Eine gesetzliche Regelung sei deshalb nicht nötig.
Werbeindustrie ist uneinsichtig
Nöcklers Position ist typisch für große Teile der Werbeindustrie, nach deren Meinung die bestehende Selbstregulierung durch den Deutschen Werberat ausreicht. Doch die Zusammensetzung dieses Gremiums sei nicht neutral, wendet Pinkstinks ein: Zehn der 13 Mitglieder seien männlich, und stammen entweder „aus der werbenden Wirtschaft, den Medien oder Werbeagenturen“. Zudem seien die Verhaltensregelns des Werberates zum Problemfeld Geschlechterdiskriminierung veraltet und unzureichend ausformuliert. Darüber hinaus verfüge er „über keine effektiven Sanktionsmechanismen“ und rüge sowieso „viele offensichtlich sexistischen Werbungen nicht“.
Heiko Maas gehe den nächsten Schritt zum „Nannystaat“, unkte FDP-Chef Christian Lindner laut Medienberichten, und traue den Bürgern nichts zu und halte den Verbraucher für unmündig. „Seine Pläne zum Verbot von Nacktheit und sexualisierter Werbung sind an Spießigkeit kaum zu überbieten.“ Frauen verhüllen zu wollen, kenne man ansonsten nur von radikalen islamistischen Religionsführern.
Lindner verleumdet hier nicht nur die Absicht hinter der Gesetzesinitiative, sondern ignoriert auch wissenschaftliche Erkenntnisse. Studien hätten schließlich gezeigt, so Pinkstinks, „dass sich Frauen als weniger kompetent in traditionell männlich definierten Räumen sehen, wenn sie daran erinnert werden, dass sie Frauen sind“. Wie wir uns geben und handeln hänge zudem auch mit den unbewussten Stereotypen zusammen, die Werbung vermittle. Geschlechtsdiskriminierende Werbung habe Auswirkungen auf das Bild, das wir von anderen haben und wie wir andere behandeln. Solche Werbung verfestige bestehende Vorurteile, die Basis für individuelle und strukturelle Diskriminierungen sei. Hinzu kämen die Auswirkungen auf die körperliche Selbstwahrnehmung und das Selbstwertgefühl: „Jeden Tag lernen Frauen durch Werbung, dass sie nicht jung genug aussehen, nicht dünn genug, nicht weiß genug, nicht sexy genug sind“.
Dass Werbung Einfluss auf die Ausbildung von Identitäten oder Verhaltensweisen hat, haben nicht nur Wissenschaftler anerkannt. Der Österreichische Werberat zeigt, dass die Branche auch anders kann: Werbung stehe im Blickpunkt der Öffentlichkeit, habe damit Vorbildfunktion und trage soziale Verantwortung, da sie Auswirkungen auf die gesellschaftliche Entwicklung haben kann. „Im Zuge der Sozialisation können Botschaften, die durch Werbung vermittelt werden, sowohl bewusst als auch unbewusst die Wahrnehmung und Ausbildung von Identität, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, beeinflussen“, sagte Michael Straberger, Präsident des Österreichischen Werberates, nach Angaben von Pinkstinks.
Geschrieben für: Unsere Zeit