Neuer Vorschlag zur Atomstiftung

Der Atomausstieg ist beschlossene Sache, doch ob letztendlich statt der Energiekonzerne die Steuerzahler für ihn aufkommen, steht noch nicht fest. Erst kürzlich hat der ehemalige Wirtschaftsminister Werner Müller einen Vorschlag zur Diskussion gestellt, der die Steuerzahler zur Kasse bitten will.

Schon vor einem Jahr hatten die Energiekonzerne Eon, RWE und EnBW der Bundesregierung den Vorschlag gemacht, dass die Atomkraftwerke in eine öffentlich-rechtliche Stiftung eingebracht werden sollen, die sich dann um den Abriss der Anlagen und um die Endlagerung des Atommülls kümmert.

Kürzlich hat Müller diesen Vorschlag wieder aufgewärmt. Als Vorbild für die geplante Atomstiftung hat er die RAG-Stiftung empfohlen, der er selbst vorsteht. Die RAG-Stiftung hat die Aufgabe, die Ewigkeitslasten des Steinkohlebergbaus nach der Stilllegung der letzten Zeche im Jahr 2018 zu finanzieren. Dazu hatten Konzerne mit Anteilen im Bergbaugeschäft vor Jahren Vermögen an die Stiftung übertragen und haben sich im Gegenzug künftiger Verpflichtungen entledigt. Der Staat hat zusätzlich eine Garantie übernommen, für alle Lasten aufzukommen, sollte die Stiftung dazu selbst nicht in der Lage sein.

Müller fragte schließlich in einer Rede, ob die öffentliche Hand vorausschauend zu einer Mithaftung bereit sei, solange die Kraftwerksbetreiber noch nicht insolvent seien. „Oder wartet sie, bis nach deren denkbaren Insolvenz sie dann zwangsweise in Haftung kommt“, fragte er weiter in seiner Rede auf einer Veranstaltung der Ingenieurwissenschaftlichen Fakultät der Universität Duisburg-Essen.

Ob Müllers Plan aufgehen könnte, ist fraglich. Die Atomkonzerne sind verpflichtet, für die Kosten des Rückbaus der Kraftwerke und für die Endlagerung des Atommülls Rücklagen zu bilden. Zusammen haben sie rund 38 Milliarden Euro zurückgelegt. Problematisch ist allerdings, dass die Rückstellungen nicht auf irgendeinem Konto liegen, sondern in Kraftwerken angelegt sind. Doch diese erwirtschaften durch die Energiewende immer weniger und verlieren an Wert.

Schon im März hatte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) angekündigt, die Rückstellungen einem Stresstest unterziehen zu lassen. Sie sollten auf Vollständigkeit und Angemessenheit geprüft werden, doch der Stresstest wurde bis heute nicht auf den Weg gebracht.

Würden die Energiekonzerne heute ihre Rückstellungen an eine öffentlich-rechtliche Stiftung übertragen, würde RWE verstaatlicht, ist sich Werner Müller sicher. RWE müsste 10 Milliarden Euro in die Stiftung einzahlen, ist aber an der Börse nur noch 13 Milliarden Euro wert. Weil die Anlagen von RWE durch die Energiewende kaum noch etwas verdienen, ist es fraglich, ob die geplante Stiftung mit ihnen überhaupt die notwendigen Mittel verdienen würde.

Unter diesen Voraussetzungen können kaum Zweifel daran bestehen, dass der Steuerzahler statt der Energiekonzerne zahlen muss. Nach Angaben des Handelsblattes (Ausgabe vom 29.05.) gehen Schätzungen davon, dass zwischen 50 bis 70 Milliarden benötigt werden – weit mehr als zurückgelegt.

Tobias Riedl, Atomexperte von Greenpeace, hat schon vor einem Jahr gesagt: „Umweltministerin Barbara Hendricks muss diesen Wettbewerbsvorteil beenden, den Konzernen die Rückstellungen entziehen und deren langfristige Haftung für die Atom-Altlasten sicherstellen.” Diese Forderung bleibt auch nach dem neuesten Vorschlag aktuell.

Bild: Demo in Brokdorf zum 1. Fukushima-Jahrestag (GuenterHH/flickr.comCC BY-NC-ND 2.0)

Zuerst veröffentlicht: Unsere Zeit, Nr. 24/2015