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Mit Neuer Rechten kritisch auseinandersetzen!

Neue rechte Bewegungen sind auf dem Vormarsch. Das ist nicht neu, und das kann man in Deutschland, in Europa und in den USA leicht beobachten. Wer sind diese Neuen Rechten, weshalb haben sie derartigen Erfolg, und wie soll man mit ihnen umgehen? Die bürgerliche Mitte ist mit diesen Fragen überfordert und auch die politische Linke findet keine gescheite Antwort. Soll man mit ihnen diskutieren oder wertet man sie damit nur auf? Fragen, die nach einer Antwort drängen.

Links und Rechts kaum auf den ersten Blick zu unterscheiden

Für Otto Normalbürger, der sich nicht täglich mit politischen Theorien beschäftigt, wird es heute immer schwieriger, in der Debatte zwischen links und rechts zu unterscheiden. Kritik an der Konsum- und Massengesellschaft, an der „Gesellschaft des Spektakels“, an der Marktgesellschaft und dem Mythos des ewigen Wachstums würde man eher mit Linken in Verbindung bringen. Diese Themen finden aber auch eine Antwort von rechts. Manche Linke würden gern aufs Land ziehen und dort eine Kommune gründen. Rechte propagieren das auch. Rechte nutzen eine politische Rhetorik, die dem Sound der Linken gleicht, etwa wenn sie Kapitalismus, Neoliberalismus oder Autoritäten kritisieren. Nur wer in den Debatten tief drinsteckt und sich ein fundiertes theoretisches Wissen angeeignet hat, findet noch den Unterschied zwischen den politischen Lagern.

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1968 – auch für Rechte ein bedeutsames Jahr

1968 war nicht nur für die westdeutsche Linke ein einschneidender Zeitpunkt. Auch im rechten Lager können viele Veränderungen mit diesem Jahr in Verbindung gebracht werden. Der Publizist Thomas Wagner schreibt in seinem Buch „Die Angstmacher“, damals hätten sich viele Konservative darin gefallen, ihre Theorie- und Intellektuellenfeindschaft herauszustellen. Der jüngeren Generation von rechten Aktivisten sei aber klargeworden, dass sich so sicherlich kein Geländegewinn zu machen sei. Sie „begriffen, wieviel geistige Substanz ihnen fehlte. Sie hatten Ende der Sechziger keine Konzeption anzubieten, welche sie in die Lage versetzt hätte, größere Teile ihrer politisierten Kommilitonen zu gewinnen“ (S. 60). Wenn die Neue Rechte an den Hochschulen Terrain gewinnen wolle, dann müsse sie mit den Linken auf Augenhöhe diskutieren können und eigene theoretische Grundlagen entwickeln.

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Sind Neue Rechte nur Konservative?

„Ethnopluralismus“ nennt sich eine der Vorstellungen, welche die Neue Rechte salonfähig machen wollen. Jedem Volk wird demnach der gleiche Anspruch auf seine kulturelle Identität zugestanden, seine Angehörigen sollen aber dem ihnen angestammte Gebiet verbleiben. Vermischung ist nicht erwünscht. Neu ist diese Vorstellung aber keineswegs. Er deckt sich zum großen Teil mit der Blut-und-Boden-Ideologie, die im 19. Jahrhundert in konservativen Kreisen aufkam. Auch sie behauptet eine untrennbare Verbindung von Kultur und Siedlungsgebiet, und dass sich beide gegenseitig bedingen. Beide Theorien bedeuten in der Praxis Ausländerfeindlichkeit, Grenzen dichtmachen, Flüchtlinge ausweisen. Insofern nehmen sich NPD, AfD, Identitäre Bewegung, CSU und große Teile der CDU wenig.

Wagner, der mit führenden Vertretern der Neuen Rechten sprach, war überrascht, wie gut seine Gesprächspartner die Argumente der Linken kannten. Die Kritiker der Neuen Rechten, fand er, beschränkten sich häufig darauf, deren Netzwerke aufzudecken oder nachzuweisen, dass Autoren wie Ernst Jünger, Martin Heidegger, Carl Schmitt oder Arnold Gehlen zu ihren Vorbildern zählen. „Die Mühe, sich ernsthaft mit ihren Argumenten zu befassen, macht sich kaum jemand.“ Das müsse sich ändern.

Zuerst veröffentlicht in: Blicklicht, Januar 2018

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