Mehr Atomkraft mit Altmaier?

Nach dem Personalwechsel im Bundesumweltministerium hat die Kanzlerin die Energiewende zur Chefsache erklärt. Norbert Röttgen (CDU) wurde entlassen und durch Peter Altmaier (CDU) ersetzt. Wofür Altmaier steht ist zurzeit noch nicht klar; in Umweltfragen ist er ein unbeschriebenes Blatt. Die Gegner der Energiewende sehen ihre Chance wieder gekommen.

Die Ära Röttgen ist vorbei. Mit einem großen Ziel war er angetreten: Die Energiewende sollte von den Konservativen gestaltet werden. Die Atomlobby war verärgert, denn Röttgen setzte sich vehement für eine verkürzte Laufzeit von Atomkraftwerken ein. Außerdem widersprach er Vorstellungen in seiner Partei, dass Atomkraftwerke betrieben werden sollten, solange sie sicher sind. Doch am Ende hatte auch er seinen Bonus bei den Umweltschützern verloren. Nachdem er seine Niederlage gegen die Atomlobby als Sieg verkaufen wollte, konnte ihn niemand mehr richtig ernst nehmen. Erst die Reaktorkatastrophe von Fukushima brachte eine Änderung der Politik – zeitweilig, wie es scheint.

Peter Altmaier ist in Umweltfragen ein unbeschriebenes Blatt. Er gilt als Vertrauter Angela Merkels. Als parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion bestand seine bisherige Aufgabe darin, diese bei strittigen Fragen zusammen zu halten. In Talkshows trat er immer wieder als Verteidiger der Merkel-Linie auf. Die Internetplattform abgeordnetenwatch.de dokumentiert u.a. sein Abstimmungsverhalten: eigenständige Positionierungen findet man nicht von ihm.

Vertreter der Industrie bringen unverhohlen ihre Freude über den Personalwechsel zum Ausdruck. Laut spiegel-online.de sprach Hans-Peter Keitel, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), offen aus: „Es gibt Anzeichen dafür, dass unsere Botschaften angekommen sind.“ Er erhofft sich von Altmaier mehr Europa-Politik bei der Energiewende.

Was darunter zu verstehen ist, schrieb die Stuttgarter Zeitung in ihrer Online-Ausgabe vom 24.05.2012. Ausführlich berichtete sie über die Jahrestagung der deutschen Kernkraftwerksbranche in Stuttgart. Dort wurde auf den EU-Fahrplan hingewiesen, der eine CO2-Reduktion bis zum Jahr 2050 um 85 bis 90 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 vorsieht. Drei wesentliche Maßnahmen sind darin vorgesehen: Ausbau der Erneuerbaren Energien, Festhalten an der Atomkraft und die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid. Je geringer der Anteil der Atomenergie ist, heißt es, desto höher würden die Energiekosten werden. Peter Faross, stellvertretender Generaldirektor für Kernenergie der Europäischen Union, sagte, die Kernenergie hätte bis 2050 einen festen Platz in der EU.