Der Aufruf ist deutlich: »Niemand sollte sein Grundstück noch der LEAG verkaufen«. LEAG – das ein Energiekonzern in der Lausitz, der dort in mehreren Tagebauen Braunkohle fördert und daraus Strom erzeugt. Der Aufruf stammt von der Grünen Liga, einer Umweltorganisation aus dem Osten Deutschlands.
Die Grüne Liga führt einen Kampf: David gegen Goliath; dafür, dass in der Lausitz nicht noch mehr Land dem Bergbau zum Opfer fällt. Im Vorfeld des Tagebaus Nochten hatte der Umweltverband einen Wald gepachtet, eigentlich bis zum Jahr 2037; doch die LEAG will das Landstück abbaggern. Am Sonntag erklärte die Grüne Liga, der Kohlekonzern habe nun erstmals schriftlich die Enteignung angedroht.
Aus Sicht des Umweltverbandes ist das unnötig: Der Tagebau sei ohnehin nur bis 2026 genehmigt, und ein Weiterbetrieb sei nicht genehmigungsfähig. »Der LEAG brechen zusehends alle Argumente für eine bergrechtliche Grundabtretung zusammen«, sagte der Vorsitzende der Grünen Liga, René Schuster. Zudem sei noch nicht einmal klar, ob das Unternehmen überhaupt noch für die Rekultivierung der Tagebauflächen aufkommen könne.
Kraftwerke in der Lausitz schon unrentabel?
Energieexperten zweifelten die Wirtschaftlichkeit älterer LEAG-Kraftwerke an, heißt es in der Erklärung. Verwiesen wird dabei auf eine Grafik des Umweltökonomen Felix Christian Matthes, der am Öko-Institut tätig ist. Matthes hatte auf Twitter ebenjene Grafik veröffentlicht, und sie zeigt: Aufgrund der gestiegenen Preise für Kohlendioxid erwirtschaften die Kraftwerke nicht mehr genug, um ihre festen Betriebskosten zu decken. Weil nicht davon auszugehen sei, dass die CO2-Preise wieder sinken, dürfte auch der Kohleverbrauch in den LEAG-Kraftwerken »dauerhaft sinken«, erklärte die Grüne Liga.
Nach dem Kohleabbau folgt die Rekultivierung der Flächen. Doch der Umweltverband zweifelt an, dass die LEAG noch für die Kosten aufkommen kann. Zwar hatte das Unternehmen mit dem Freistaat Sachsen vereinbart, dass die LEAG die notwendigen Mittel in einer Zweckgesellschaft »anspart«; aber einzahlen müsse sie nur »aus dem laufenden positiven cash flow«. Das bedeute, so die Grüne Liga: Verdient die LEAG mit dem Kohleabbau nicht mehr genug, dann »müssen öffenbar die Steuerzahler für die Rekultivierungskosten einspringen«.
Im Moment deutet vieles darauf hin, dass der Kohleausstieg in Deutschland schneller vonstattengeht als geplant. Gesetzlich geregelt ist: Im Jahr 2038 geht das letzte Kohlekraftwerk in der Bundesrepublik vom Netz. Doch mit dem »European Green Deal« wird das europäische Klimaziel angehoben – unklar ist nur noch, wie stark: Der Europarat will bis zum Jahr 2030 den Ausstoß von Kohlendioxid um 55 Prozent absenken, im Vergleich zum Jahr 1990; das EU-Parlament will 60 Prozent. Beide Gremien verhandeln noch, und eine Entscheidung wird für Ende April erwartet. Das ursprüngliche Klimaziel für 2030 lag bei einer Absenkung von 40 Prozent.
Ohne frühen Kohleausstieg Klimaziele nicht zu halten
Selbst wenn sich der Europarat mit dem niedrigeren Ziel durchsetzen sollte, muss Deutschland seinen Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent senken. Das geht aus einer im November veröffentlichten Studie des Instituts »Agora Energiewende« hervor. Konkret bedeute das: »[…] den Kohleausstieg von 2038 auf 2030 vorzuziehen und die Erneuerbaren Energien auf einen Anteil von etwa 70 Prozent des – durch die Sektorkopplung gestiegenen – Stromverbrauchs zu steigern«.
Verschärfte Klimaziele treiben den Preis für Kohlendioxid nach oben. Im Februar durchbrach er erstmals die Marke von 40 Euro je Tonne CO2. Und manche Ökonomen gehen davon aus, dass er bis zum Jahr 2030 auf rund 80 Euro steigen könnte. Ab einem Preis von 50 Euro werden Braunkohlekraftwerke unrentabel, heißt es in der Studie von Agora Energiewende.
Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität Köln (EWI) kommt zu einem ähnlichen Schluss. Mitte März hatte das EWI mitgeteilt, es könne zu einem frühzeitigen Aus für Kohlekraftwerke kommen, wenn die Klimaziele verschärft würden. In einer Erklärung heißt es: »Während die Steinkohleverstromung bereits bis zum Jahr 2030 weitgehend zum Erliegen kommen könnte, spielt auch die Braunkohleverstromung nach 2030 nur noch eine untergeordnete Rolle im deutschen Strommix«. Diese Entwicklung ist für die Planung in der Lausitz noch nicht berücksichtigt worden. Im Rheinischen Revier schlägt man dagegen schon andere Töne an. »Für mich ist der Kohleausstieg 2030 erledigt«, hatte Rolf Martin Schmitz, Vorstandsvorsitzender des Energiekonzerns RWE, kürzlich gesagt. Alles, was danach komme, spiele eigentlich keine Rolle mehr. Schon dann würde nur noch ein Block für einen Notbetrieb laufen und der entsprechende Tagebau nur noch dafür produzieren.