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Klimaschutz – in Deutschland “nicht realisierbar”

Zur Halbzeit der UN-Klimakonferenz sind am vergangenen Samstag in Bonn erneut tausende Menschen für mehr Klimaschutz auf die Straße gegangen. Die Zahl derer, die an den beiden Demonstrationszügen teilnahmen, fiel deutlich niedriger aus als geplant. Die Anmelder hatten mit bis zu 8.000 Demonstranten gerechnet. An den Demonstrationszügen teilgenommen hatten nach Angaben der Veranstalter nur rund 2.000.

Die Demonstranten forderten Einsatz für globale Klimagerechtigkeit, den Stopp der Zerstörung von Lebensgrundlagen, einen verbindlichen Fahrplan für den Kohleausstieg sowie den Einschluss des Flugverkehrs in das Pariser Abkommen. Werner Rätz vom globalisierungskritischen Bündnis Attac forderte insbesondere die Industriestaaten auf, „industriell abzurüsten“. Erneuerbare Energien und bessere Technologien würden nicht ausreichen, den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids in ausreichendem Maß zu senken.

 

Protest auch gegen deutsche Klimapolitik

Die Klimakonferenz mit rund 25.000 Teilnehmern aus fast 200 Ländern komme nicht recht voran, kritisierte eine Attac-Rednerin auf einer Kundgebung. „Was die da machen – das braucht unbedingt den Druck der Straße“, sagte sie laut Deutscher Presseagentur (dpa). Zu den Protestaktionen riefen die Bündnisse „No Climate Change“ und „Weltklima- Aktionstag 11.11. Bonn“ auf. Sie wurden unterstützt von regionalen und bundesweiten Initiativen sowie von Parteien.

Der Protest richtete sich unter anderem gegen die deutsche Klimapolitik, die nach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wirtschaftsverträglich sein müsse. „Wenn Stahlwerke, Aluminiumwerke, Kupferhütten, wenn die alle unser Land verlassen und irgendwohin gehen, wo die Umweltvorschriften nicht so gut sind, dann haben wir für das Klima auf der Welt auch nichts gewonnen“, hatte sie in einer Videobotschaft gesagt. Demonstranten zeigten daraufhin am Samstag Transparente mit dem Schriftzug „Frau Merkel verschläft den Klimaschutz“.

Allerdings: Sie verschläft nicht den Klimaschutz, sondern hat in den vergangenen Jahren in erster Linie eine Politik im Interesse der Industriekonzerne und Banken gemacht. Angesichts der hoffnungslosen Lage, dass die deutschen Klimaziele noch irgendwie zu erreichen sind, gibt sie mit ihrer Aussage der Klimapolitik eine deutliche Absage.

Deutsche Klimaziele: nicht zu realisieren

Dass die Lage hoffnungslos ist, zeigt ein Bericht des Springerblattes WELT vom letzten Mittwoch in seiner Online-Ausgabe. Demnach haben Experten des Bundeswirtschaftsministeriums ein acht Seiten langes Papier als Argumentationshilfe für die Sondierungsgespräche geschrieben. Kern der Aussage: Deutschland verfehlt seine Klimaziele meilenweit. Und unter ökonomischen Gesichtspunkten sei es unmöglich, die Versprechen umzusetzen, welche die schwarz-rote Bundesregierung bis 2030 gegeben hat. Es sei denn, man riskiere notfalls auch Deutschlands wirtschaftlichen Wohlstand.

In dem Arbeitspapier, aus dem WELT zitiert, heißt es: „Gemäß der aktuellen Schätzung des Jahres 2016 konnte das Ausmaß an Treibhausgas-Emissionen seit dem Jahr 1990 – also in mehr als 25 Jahren – um ca. 28 Prozentpunkte reduziert werden“. Für die verbleibenden 13 Jahre bis 2030 habe sich Deutschland das Ziel gesteckt, die Emissionen noch einmal um 27 Prozentpunkte zu senken. „Um dieses Ziel zu erreichen, müsste die Reduktionsleistung pro Jahr fast doppelt so groß ausfallen wie in den zurückliegenden 26 Jahren.“ Es handele sich um ein „extrem ambitioniertes – genauer – nicht realisierbares Ziel“.

Dennoch appellierten Umweltverbände aus Deutschland und Frankreich an ihre Regierungen, im Klimaschutz eine Führungsrolle zu übernehmen. Beide Staaten müssten der „Motor für eine ehrgeizige EU-Klimapolitik“ werden, heißt es in einem Schreiben an Merkel und den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, aus dem die Süddeutsche Zeitung (Montagsausgabe) zitierte. Die 18 Verbände verlangten, die europäischen Klimaziele anzuheben und regionale Mindestpreise für Kohlendioxid einzuführen. Auch in der Landwirtschafts- und Verkehrspolitik müsste die EU Weichen zu mehr Klimaschutz stellen. Zudem dürfe es im EU-Haushalt „keine Unterstützung für die fossile Energiewirtschaft“ geben. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass diese Positionen von der Politik aufgegriffen werden.

Bei den Verhandlungen in Bonn geht es vor allem um die technische Umsetzung des Pariser Abkommens. Dabei soll ein „Regelbuch“ ausgehandelt werden, um etwa die Vergleichbarkeit und Überprüfbarkeit nationaler Klimaschutzziele zu ermöglichen.

Zuerst veröffentlicht in: Unsere Zeit vom 16.11.2017

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