Kernspaltung bei E.on. Verstaatlichung der Atomaltlasten wird befürchtet

Der Düsseldorfer Energiekonzern E.on steht vor einem radikalen Wandel. Kürzlich hat Johannes Teyssen, Vorstandsvorsitzender des Konzerns, seine Pläne vorgestellt, das Unternehmen in zwei Gesellschaften zu teilen. Während die Aktie an der Börse einen Freudensprung machte, warnen Kritiker, der Konzern könne sich um die Kosten für den Atomausstieg drücken.

Teyssen wolle E.on für die Zukunft fit machen, heißt es. Würde alles bleiben, wie es ist, könnte das Unternehmen weder in der klassischen Versorgung noch in den regenerativen Energien ein herausragender Akteur werden. „In beiden Welten werden wir über die Zeit starken Unternehmen begegnen – wenn wir dann halb gar aufgestellt wären, würden wir untergehen“, sagte er in einem Interview mit dem Handelsblatt. Deshalb soll im zweiten Halbjahr 2016 das Geschäft mit der Energieerzeugung aus Kohle, Atom und Gas abgetrennt und in ein neues Unternehmen überführt werden. Behalten will E.on die Ökostrom-Sparte, den Netzbetrieb und das Geschäft mit den Kunden.

Werden die Pläne in dieser Form umgesetzt, gliedert der Konzern seine ertragsschwachen Teile aus. Zwar würde der Umsatz um die Hälfte auf etwa 60 Milliarden Euro zurückgehen. Doch zwei Drittel des Gewinnes vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen würden im Konzern verbleiben. Während auch die Kraftwerke in Brasilien und Russland Teil der neuen Gesellschaft werden sollen, bleiben die 33 Millionen Vertriebskunden und die 26 Millionen Netzkunden im Konzern.

Die Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag Bärbel Höhn (Grüne) befürchtet, dass E.on eine Bad Bank für seine sieben Atomkraftwerke schafft, die dann vom Steuerzahler gerettet werden muss. Denn, so sagt sie, würden in dem neuen Unternehmen vor allem die absterbenden Konzernteile gebündelt. Der Verdacht wird vom Bundeswirtschaftsministerium geteilt, auch wenn sich Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel betont gelassen gibt. „Wir passen auf, dass die Rückstellungen für den Rückbau von Atomkraftwerken und die nukleare Entsorgung gesichert bleiben“, ließ er verlauten.

Die Energiekonzerne sind verpflichtet, die Lasten für den Abriss von Kernkraftwerken und für die Endlagerung der atomaren Abfälle selbst zu tragen. Dafür müssen sie Rückstellungen bilden. Die vier Energiekonzerne, RWE, E.on, EnBW und Vattenfall, haben zusammen Rückstellungen im Wert von rund 40 Milliarden Euro gebildet. Auf E.on entfallen dabei 14,6 Milliarden Euro, die dann auch in der neuen Gesellschaft landen sollen.

Doch bestehen berechtigte Zweifel, ob diese Summe überhaupt ausreicht. Ein ehemaliger E.on-Manager hatte gegenüber der Süddeutschen Zeitung gesagt, die Risiken der Entsorgung seien unübersehbar geworden. Es sei vor allem zweifelhaft, ob die Rückstellungen richtig bewertet sind, heißt es in dem Blatt. Fachleute hätten daran erhebliche Zweifel, heißt es weiter. Denn das Geld liege nicht frei verfügbar auf einem Bankkonto, sondern sei investiert in Kraftwerke und niemand außerhalb des Konzerns habe genauen Einblick in die Bilanzen und könne überprüfen, ob der Wert der Rückstellungen korrekt ermittelt wurde.

Schon vor dreieinhalb Jahren hatte der Bundesrechnungshof die Geheimniskrämerei rund um die Atom-Rückstellungen kritisiert. Wegen des Steuergeheimnisses hätten nur die Finanzämter Einblick in die Bücher. Aber den Betriebsprüfern fehle oftmals das nötige Fachwissen, um beurteilen zu können, ob die Höhe der Risikovorsorge angemessen ist. „Der Bundesrechnungshof hält eine bessere staatliche Prüfung der Rückstellungen und eine umfassende Information von Parlament und Regierung für geboten“, hieß es damals. Der Vorschlag: Das Bundesamt für Strahlenschutz oder andere Fachbehörden sollen Zugriff auf die Daten erhalten. Gefragt, ob die Bundesregierung die Empfehlung aufgegriffen habe, musste der Präsident des Bundesrechnungshofes Kay Scheller eingestehen, dass nichts in der Sache unternommen wurde.

Brisant wird die Frage der Rückstellungen, weil der Wert der Kraftwerke in den letzten Jahren stark gesunken ist und E.on Abschreibungen in Milliardenhöhe vornehmen musste. So lieferte sich beispielsweise der Konzern 2007 einen erbitterten Übernahmekampf um Spaniens größten Strom- und Gasversorger Endesa. Für 8,9 Milliarden Euro und 2,9 Milliarden weitergereichte Schulden übernahm E.on Teile des Geschäfts in Spanien und einige Kraftwerke in Frankreich und Italien. Heute ist dieses Investment nur noch knapp zwei Milliarden Euro wert.

Im April hatte Teyssen schon gesagt: „In der Stromerzeugung in Europa ist die Situation nach wie vor kritisch. Besserung ist nicht in Sicht.“ Geändert hat sich daran bis heute nichts. Probleme gibt es für den Konzern auf allen relevanten Märkten: Deutschland, den anderen EU-Staaten, Russland, Brasilien und der Türkei. So werden die Atomkraftwerke in den nächsten Jahren eingemottet und sowohl die Kohle- als auch die Gaskraftwerke sind kaum ausgelastet und arbeiten nicht wirtschaftlich. Ein Viertel der konventionellen Kapazitäten wurden schon stillgelegt. Das Engagement in Brasilien und in der Türkei bringt dem Konzern auch nichts ein. In den ersten neun Monaten diesen Jahres erzielte E.on auf diesen Märkten einen Verlust vor Steuern von 62 Millionen Euro.

Wie die neue Gesellschaft unter diesen Voraussetzungen die Kosten für den Rückbau der Atomkraftwerke aufbringen soll, ist fraglich. Dem Vernehmen nach prüft die Bundesregierung, wieviel die Rückstellungen  der vier Atomkonzerne noch wert sind. Noch in diesem Jahr soll eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie fertiggestellt werden, welche die Auswirkungen der Konzernteilung auf Atomrückstellungen untersucht.

Nach Bekanntwerden des bestehenden Umbaus von E.on beeilten sich sowohl Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) als auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel zu betonen, dass eine Verstaatlichung der Risiken aus der Atomkraft ausgeschlossen sei. Ob es dabei bleibt, wird sich noch zeigen. Wahrscheinlich ist es nicht.

 

Zuerst veröffentlicht: Unsere Zeit, Nr. 50/2014

Bild: E.ON-Kraftwerk Block IV Datteln (Dominik/flickr.com CC BY-NC-SA 2.0)