Die Hans-Böckler-Stiftung weist darauf hin, dass die Grundsicherung im Alter viele Arme nicht erreicht. Wieviele Bedürftige keine Sozialleistungen beantragen, sei schwer zu sagen, denn sie tauchen in keiner amtlichen Statistik auf. Dasselbe gilt für diejenigen, die nicht wissen, dass ihnen wegen ihres geringen Einkommens staatliche Zuschüsse zustehen. Aber bereits in den 1990er Jahren sei klar gewesen, dass auf einen Sozialhilfeempfänger ein Berechtigter kommen könnte, der seine Ansprüche nicht einlöst. Und unter den Älteren sei die verdeckte Armut besonders verbreitet.
Die Verteilungsforscherin Irene Becker hat in einem Beitrag in der Zeitschrift für Sozialreform untersucht, wie sich die verdeckte Armut unter Älteren seit der Einführung der „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ 2003 entwickelt hat. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass das Ziel des Gesetzes offenbar nicht erreicht wurde.
Die Grundsicherung im Alter wurde 2003 eingeführt, um die verdeckte Armut unter den Älteren wirksam eindämmen zu können. Sozialhilfeempfänger im Rentenalter brauchen seitdem nicht mehr zu fürchten, dass das Amt sich das Geld bei ihren Kindern zurückholen könnte. Zudem wurde die Rentenversicherung verpflichtet, Kleinrentner auf ihren potenziellen Grundsicherungsanspruch aufmerksam zu machen.
Beckers Berechnungen beruhen auf Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) für das Jahr 2007. Die Auswertung der repräsentativen Befragung ergab: Von einer Million Menschen ab 65 Jahren, denen damals Grundsicherungsleistungen zustanden, bezogen nur 340.000 tatsächlich Leistungen. 68 Prozent der älteren Armen nehmen demnach die Leistungen nicht in Anspruch.
Wer Grundsicherung im Alter bezieht, habe im Schnitt ein gesetzliches Einkommen von 549 Euro im Monat. Das sind etwa 44 Prozent des Ruhegeldes, das nicht bedürftige Rentner im Durchschnitt erhalten. Viele können sich zumindest nicht alle zwei Tage eine warme Mahlzeit mit Fleisch, Fisch oder Geflügel leisten. Diese Angaben machten laut SOEP 8 Prozent der verdeckt armen Älteren. In der nichtbedürftigen Vergleichsgruppe sind es nur 0,6 Prozent.
Das Gesetz zur Grundsicherung im Alter solle überarbeitet werden, schreibt Becker, da es weiterhin viele verdeckt arme Ältere gebe. Die Rentenversicherung solle sich stärker als bisher um Rentner mit geringen Einkünften kümmern und sie beim Antrag auf Grundsicherung unterstützen. Auch die Regelungen zur Vermögensanrechung sollten gelockert werden. Viele Ältere würden nicht zum Amt gehen, weil sie befürchten, das Amt könnte auf dem Umzug in eine billigere Wohnung bestehen. Weil das besonders für Ältere belastend und mit einem nachhaltigen Verlust der sozialen Kontakte verbunden ist, sollte „die Definition angemessenen Wohnraums überdacht“ werden.