Mehrere Dutzend Greenpeace-Aktivisten haben Ende Mai ein Protestcamp in der Berliner Parteizentrale der Linken aufgeschlagen. Damit wollten sie auf den Widerspruch in der Politik der Linken aufmerksam machen. Die Bundespartei hat sich in ihrem Wahlprogramm für einen Kohleausstieg und gegen weitere Braunkohletagebaue ausgesprochen. Dagegen ist die Linke in Brandenburg dabei, einen neuen Tagebau in der Nähe von Cottbus zu genehmigen. Schon Anfang Juni soll über das Projekt abgestimmt werden. „Der Parteivorstand muss endlich den Widerspruch innerhalb der Partei auflösen“, forderte Karsten Schmid, Energieexperte von Greenpeace.
Der Parteivorstand der Linken hatte sich mit der Umweltorganisation darauf geeinigt, einen Runden Tisch zur Braunkohlepolitik durchzuführen. Bei dem ersten Treffen habe sich die Parteiführung geweigert, klare Positionen zu beziehen, meldet Greenpeace in einer Pressemitteilung. Der Parteivorstand hatte zwar einstimmig – bei drei Enthaltungen – bekräftigt, gegen neue Tagebaue zu sein. Doch wolle man der Landesorganisation Brandenburg keine Vorschriften machen. Angesichts der föderalistischen Parteistruktur sei das nicht geraten, stellte die Bundesvorsitzende Katja Kipping klar.
Es würde alles dafür getan, dass „wir bis 2040 aus der Braunkohleverstromung ausgestiegen sind“, versprach der Brandenburger Landtagsabgeordnete Thomas Domres. Doch am Koalitionspartner SPD und an der oppositionellen CDU vorbei gebe es keine parlamentarische Mehrheit gegen die Kohle. Warum aber alle vier Minister der Linken für den Braunkohlenplan stimmen wollen, kommentierte Domres nicht. Margitta Mächtig, Fraktionschefin der Linken im Brandenburger Landtag, hatte gesagt, dass alle vier Minister zustimmen würden. Domres hat ebenfalls betont, dass es kein Problem wäre, wenn die Linke jetzt zustimmt. Immerhin könne man die Entscheidung im bergrechtlichen Genehmigungsverfahren wieder zurücknehmen. Wolfgang Neskovic, Bundesrichter a.D. und ehemaliges Mitglied der linken Bundestagsfraktion, widerspricht dieser Aussage: Der Braunkohlenplan sei eine politische Grundsatzentscheidung, die in späteren Verwaltungsverfahren zwingend berücksichtigt werden müsse.
Mit einem 100 Quadratmeter großen Banner an der Fassade des Karl-Liebknecht-Hauses wollte Greenpeace vor allem Katja Kipping an „ihre ideologische Gründermutter Rosa Luxemburg“ erinnern, heißt es in einer Pressemitteilung. „Du wirst nicht danach beurteilt, was du sagst, sondern was du tust“, zitieren die Umweltschützer Luxemburg.
Am 3. Juni sollte die Brandenburger Regierung über den Braunkohleplan entscheiden. Das Ergebnis lag bis zum Redaktionsschluss noch nicht vor, ist aber bereits im Vorfeld angekündigt worden. Nach einem Bericht des Neuen Deutschland werden die vier linken Minister zustimmen, um in den nächsten Koalitionsgesprächen nach der Landtagswahl im Herbst einen Streitpunkt vom Tisch zu haben und wieder in die Regierung zu gelangen. Katja Kipping habe sich außerdem mit keinem Wort gegen den neuen Tagebau ausgesprochen, so Karsten Schmid nach der ersten Gesprächsrunde. Das sei ein Affront für 800 Menschen, die umgesiedelt werden müssten, und für die Wähler der Linken, die ihr Programm ernst nehmen würden. „Wir fordern Frau Kipping auf, ihrem Parteiprogramm endlich Taten folgen zu lassen“, so Schmid weiter. Die Linke mache sich außerdem lächerlich, wenn sie die Pläne für Welzow-Süd II mitträgt und danach wieder ein Kohleausstiegsgesetz in den Bundestag einbringt.
Eine zweite Gesprächsrunde war für den 2. Juni beschlossen worden. Doch die Linke habe das Gespräch in einem Eklat enden lassen, so Greenpeace. Dabei sollte eigentlich der Vorschlag der Bundespartei diskutiert werden, die Entscheidung über den Tagebau Welzow-Süd II bis nach der Wahl zum Landtag im September zu verschieben. Es gebe keinen Grund, die Entscheidung jetzt übers Knie zu brechen, meinte auch Karsten Smid. Nach einem Gutachten im Auftrag des Brandenburger Umweltministerium sei die Kohle aus Welzow-Süd II nicht notwendig für die deutsche Energieversorgung. Außerdem gebe es deutliche Hinweise darauf, dass der schwedische Konzern Vattenfall das Geschäft mit der Braunkohle nach der Wahl in Schweden verkaufen will. Der genehmigte Braunkohleplan würde lediglich den Verkaufspreis in die Höhe treiben (UZ berichtete).
Vattenfall will sich strategisch neu ausrichten. Dabei sollen vor allem die Erneuerbaren Energien ausgebaut werden und der Ausstoß von Kohlendioxid des gesamten Konzerns gesenkt werden. Beide Ziele würden sich nur mit einem teilweisen oder kompletten Ausstieg aus dem Braunkohlegeschäft in Deutschland erreichen, so Greenpeace. Außerdem habe eine Studie im Auftrag der Umweltorganisation gezeigt, dass millionenschwere Folgekosten des Tagebaus nicht vollständig von Vattenfall gedeckt seien. „Der Linke Wirtschaftsminister Ralf Christoffers macht genau das, was seine Partei immer kritisiert: Gewinne werden privatisert und Verluste sozialisiert“, so Smid.
Indessen wurde durch den nd-Bericht bekannt, dass die eigentliche Entscheidung, dem neuen Braunkohletagebau zuzustimmen, bereits 2009 gefallen ist. Damals sei das der SPD in den Koalitionsgesprächen mündlich zugesagt worden. Es sei aber weder schriftlich fixiert, noch öffentlich gesagt worden. Dem Koalitionsvertrag wurde damals auf dem Landesparteitag in Straußberg zugestimmt. Doch offensichtlich wurden die Delegierten nicht korrekt informiert. Diesen war zugesagt worden, dass innerhalb der Legislaturperiode keine wesentlichen Entscheidungen über neue Tagebaue fallen werden.
Deutschland hat im vergangenen Jahr mehr Kohle verstromt wie seit der 1989/90 nicht mehr. Ein großer Teil dieses Stroms wird ins Ausland verkauft, weil er in Deutschland immer weniger gebraucht wird. Der Anteil der Erneuerbaren Energien macht ihn zusehends überflüssig. Entsprechend wurde in einer Studie im Auftrag des Brandenburger Umweltministeriums festgestellt, dass der geplante Tagebau, in dem ab 2027 Kohle abgebaggert werden soll, energiepolitisch überflüssig ist.
Zuerst veröffentlicht in: Unsere Zeit, 06.06.2014