Gabriel will deutschen Rüstungsriesen. Rüstungsindustrie wird neu strukturiert

Die deutsche Rüstungsindustrie soll sich neu strukturieren. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) drängt nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) die deutschen Waffenschmieden, sich in größeren wirtschaftlichen Einheiten zusammen zu fassen. Kürzlich sind entsprechende Pläne der Unternehmen bekannt geworden.

Das Wirtschaftsministerium strebe eine „verstärkte nationale Konsolidierung der Rüstungsindustrie“ in Deutschland an, heißt es in einem geheimen Strategiepapier, aus dem die FAZ zitiert. Gleichzeitig soll ein höherer Grad an Selbständigkeit bei der Waffenproduktion erreicht werden. Die Kooperation der Hersteller solle sowohl auf europäischer wie auch auf globaler Ebene stark zurückgefahren werden oder „möglichst verschwinden“, heißt es wörtlich in dem Papier.

Eine Schlüsselrolle für die Pläne des Wirtschaftsministeriums kommt dem Konzern Rheinmetall zu. Das Unternehmen soll ein stärkeres Bündnis mit der Münchner Waffenschmiede Kraus-Maffei-Wegmann (KMW) eingehen. Beide Konzerne produzieren bereits gemeinsam den Kampfpanzer Leopard 2, den Schützenpanzer Puma und den Transportpanzer Boxer. Doch KMW-Chef Frank Haun hat andere Pläne. Er strebt eine Fusion mit dem französischen Konkurrenten Nexter an, was aber sowohl von der CDU und der SPD abgelehnt wird. „Eine deutsch-französische Lösung wird aus meiner Sicht für die Bundeswehr und Deutschland als Wirtschaftsstandort eher Nachteile bringen“, sagt Henning Otte, verteidigungspolitischer Sprecher der Union. Die Regierungsparteien befürchten einen Ausverkauf deutscher Rüstungstechnologie. Immerhin gilt der Leopard 2 als weltweit führend.

Neben der Fusion in der deutschen Rüstungsindustrie strebt das Wirtschaftsministerium an, den Waffenexport einzuschränken, wogegen die Industrie und CDU-Politiker protestieren. Armin Papperger, Chef von Rheinmetall und Präsident des Branchenverbandes, drohte der Bundesregierung, abzuwandern. „Entweder wir bauen weiter Kapazitäten und damit noch mehr Arbeitsplätze ab – oder wir gehen ins Ausland“, sagte er. Alle großen Rüstungsunternehmen würden prüfen, ob sie auf Dauer in Deutschland bleiben könnten. Unterstützung erhält Papperger von Joachim Pfeiffer, dem wirtschaftspolitischen Sprecher der Union im Bundestag. Er sieht in Gabriels Kurs eine Gefährdung der nationalen Sicherheit. Gabriels Kurs führe dazu, dass Deutschland nicht mehr als verlässlicher Partner wahrgenommen werde und die deutsche Rüstungsindustrie ihre Kernkompetenzen verliere.

Fachleute bezweifeln indessen, dass Gabriels Strategie aufgeht. Wenn es Rheinmetall gelinge, sich breiter aufzustellen, würde ein „nationaler Champion“ im Rüstungssektor entstehen, wie es ihn seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben habe. Dieser sei aber nicht überlebensfähig, wenn er nur Aufträge von der Bundeswehr oder aus NATO-Ländern bekäme.

Bisher baute Rheinmetall vor allem Panzer. Doch der Konzern will expandieren und Firmen übernehmen, die noch zu Thyssen-Krupp und Airbus gehören. So unterbreitete Rheinmetall-Chef Papperger dem Essener Konzern vor einigen Wochen einen ersten Vorschlag für die Übernahme der Howaldtswerke Deutsche Werft AG (HDW) in Kiel.

HDW ist Weltmarktführer beim Bau von U-Booten mit Brennstoffzellenantrieb und die Auftragsbücher sind bis 2020 gefüllt. Doch Thyssen-Krupp will sich schon seit längerer Zeit von seiner Marine-Sparte trennen, was bisher mehrmals an politischen Einwänden scheiterte. Die Bundesregierung ist bei der möglichen Transaktion eng eingebunden und es wird Rückendeckung signalisiert. So sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Rainer Arnold: „Sollte sich Rheinmetall breiter aufstellen wollen, würde ich das nur begrüßen.“

Neben HDW will Rheinmetall auch das Bremer Rüstungsunternehmen Atlas Elektronik übernehmen, dass zurzeit noch eine Gemeinschaftsunternehmen von Thyssen-Krupp und Airbus ist. Doch Airbus stellt jetzt im großen Stil sein boden- und seegebundenes Rüstungsgeschäft zum Verkauf und will sich hauptsächlich auf den Bau von Flugzeugen, Hubschraubern und Lenkflugkörpern konzentrieren. Atlas Elektronik ist eng mit dem Bau von U-Booten verbunden und stellt das elektronische Zubehör wie die Sonartechnik für sie her. Airbus will seinen 49-Prozent-Anteil zunächst an Thyssen-Krupp verkaufen. Entsprechende Verhandlungen wurden von Heinrich Hiesinger, Vorstandschef des Essener Konzerns, bestätigt. Danach soll Atlas Elektronik an Rheinmetall weiter verkauft werden.

Gelingt der Umbau von Rheinmetall würde ein Konzern mit fünf Milliarden Euro Umsatz im Jahr entstehen, der international wettbewerbsfähiger sein soll. Außerdem würde die kleinteilige deutsche Waffenproduktion überwunden. Rheinmetall würde in der Liste der weltweit führenden Waffenproduzenten von Platz 30 weit nach oben steigen.

Die deutsche Rüstungsindustrie hat aber auch Grund, sich über einige Pläne von Gabriel zu freuen. So hat er angekündigt, die Genehmigungspraxis für Dual-use-Güter, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können, zu beschleunigen. Auch Anträge über den Export von Ersatzteilen sollen zukünftig schneller bearbeitet werden. Das ist ein Ergebnis des „Branchendialogs“, den Gabriel kürzlich mit den Waffenproduzenten geführt hat.

 

zuerst – leicht überarbeitet – veröffentlicht: Unsere Zeit, Nr. 39/2014