Im Streit um den geplanten Klimabeitrag für alte Kohlekraftwerke wird das Einknicken von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) immer deutlicher. Nachdem sein Ressort kürzlich die selbst gesteckten Ziele auf Druck der Kohlelobby verringert hat, betonte er im Bundestag erneut, für Alternativvorschläge offen zu sein. Dabei wird wieder einmal verschwiegen, dass die Haushalte und Verbraucher die Energiekonzerne mit Milliardenbeträgen entlasten sollen.
Ohne weitere Schritte ist es nicht möglich, den Ausstoß von Kohlendioxid bis 2020 um 40 Prozent zu senken, wie es die deutschen Klimaziele vorsehen. Die Bundesregierung hat deshalb letzten Dezember beschlossen, dass der Energiesektor weitere 22 Millionen Tonnen CO2 einsparen soll, und wie das zu erreichen sei, soll in diesem Jahr diskutiert werden.
Aus Gabriels Haus stammt der Vorschlag, einen Klimabeitrag von den Energiekonzernen zu fordern. Weil der europäische Emissionshandel nicht funktioniert wie geplant und aufgrund zu vieler Zertifikate auf den Markt keine Steuerungswirkung erzielt, sollte der Preis für Kohlendioxid durch ein nationales Instrument verteuert werden. Obwohl andere europäische Länder schon längst nationale Instrumente eingeführt haben, löste Gabriels Vorschlag bei der deutschen Kohlelobby das blanke Entsetzen aus. Vor allem Braunkohlekraftwerke wären von der Abgabe betroffen und rund 86 Prozent deren Kraftwerkskapazitäten gehören den beiden Energiekonzernen RWE und Vattenfall. Diese beiden sollten durch einen höheren Preis für Kohlendioxid angehalten werden, ihre teilweise über 40 Jahre alten Kraftwerke zu modernisieren und umweltfreundlicher zu machen, doch stellt das für die Kohlelobby eine Zumutung dar.
Nach Protesten der Bergbaugewerkschaft IG BCE und von Länderregierungen hat das Bundeswirtschaftsministerium einen Alternativvorschlag vorgelegt. Statt der geplanten 22 Millionen Tonnen sollen die Energiekonzerne nur noch 16 Millionen Tonnen einsparen. Die entstehende Lücke soll demnach durch die stärkere Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) geschlossen werden. Mit insgesamt 1,5 Milliarden Euro soll diese nun jährlich gefördert werden, bisher waren es 500 Millionen Euro. Bezahlt werden soll das vom Verbraucher. Wie es im Arbeitspapier des Ministeriums heißt, wird die KWK-Umlage von derzeit 0,25 Cent/kWh auf rund 0,75 Cent/kWh steigen und über den Strompreis bezahlt.
Ob das überhaupt funktionieren wird, ist indes noch nicht sicher. Eine zusätzliche CO2-Einsparung wird nicht durch den bloßen Zubau von KWK-Kraftwerken erreicht, heißt es in dem Arbeitspapier. Alte Steinkohle-KWK müssten durch neue Gas-KWK ersetzt werden, anderenfalls entstünden nur Stromüberschüsse, die ins Ausland verkauft würden. Umweltaktivisten fragen nun, wie der Wechsel von Kohle zu Gas herbeigeführt werden soll, wenn auf der anderen Seite der Einsatz von Kohle weiterhin attraktiv bleibt. Das Ministerium gibt darauf allerdings keine Antwort.
Es kommt noch hinzu, dass bestehende KWK-Anlagen zunehmend unter wirtschaftlichen Druck geraten. Kürzlich hat die kommunale Versorgerholding Thüga gewarnt, ihre KWK-Anlagen mit einer Kapazität von über drei Gigawatt würden in den nächsten zwei bis fünf Jahren in die roten Zahlen rutschen. Ihre Laufzeiten seien zu gering, um wirtschaftlich zu sein. Der eigentliche Grund ist einfach: Weil die Verstromung von Braunkohle hohe Profite verspricht und der Emissionshandel daran nichts ändert, werden diese Braunkohlekraftwerke länger am Netz gehalten. Klimafreundlichere Kraftwerke kommen dann nicht mehr zum Zug und werden unwirtschaftlich.
Die Kohlelobby ist mit dem Entgegenkommen des Wirtschaftsministeriums aber noch nicht zufrieden gestellt. Auch der Alternativvorschlag sei nicht verhandelbar. Um den Druck von RWE und Vattenfall zu nehmen, hat nun die IG BCE einen weiteren Vorschlag gemacht.
So empfiehlt die Gewerkschaft ebenfalls, die Kraft-Wärme-Kopplung stärker zu fördern, geht dabei aber nicht auf die bestehenden Probleme ein. Außerdem solle eine Kapazitätsreserve aufgebaut werden, in die Steinkohle- und Braunkohlekraftwerke aufgenommen werden sollen, wofür die Betreiber staatliche Förderung in Anspruch nehmen können. Doch das Ministerium musste bereits eingestehen, dass durch die Kapazitätsreserve keine zusätzlichen CO2-Einsparungen möglich sind. Ein dritter Punkt, den die Gewerkschaft vorgeschlagen hat, belastet vor allem die Hausbesitzer. So solle vorgeschrieben werden, dass bis 2020 alte Heizungsanlagen durch klimafreundlichere ersetzt werden müssen. Als Anreiz solle eine Abwrackprämie gezahlt werden.
Bild: Menschenkette gegen Braunkohle-Tagebaue (GuenterHH/flickr.com – CC BY-ND 2.0)
Zuerst veröffentlicht in: Unsere Zeit, Nr. 22/2015
Bildquellen
- Menschenkette gegen Braunkohle-Tagebaue: GuenterHH/flickr.com | CC BY-ND 2.0