G8 oder wer regiert die Welt

Der hier vorgestellte Vortrag wurde schon im Frühjahr 2007 gehalten. Das Thema ist aber nicht ad acta gelegt, sondern ist immer noch hoch aktuell. Ziel war es nicht nur, etwas Allgemeines zum G8-Gipfel zu sagen. Ziel war es, die ökonomischen und politischen Zusammenhänge zu zeigen. Wer gegen den G8-Gipfel demonstriert, muß, um glaubhaft zu sein, auch immer gegen den Kapitalismus demonstrieren. Denn im Kapitalismus liegt letztendlich die Ursache für solche Treffen und für die Politik, die dort beschlossen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich bedanke mich für die Einladung, heute hier zu einem Thema sprechen zu können, dass die Gemüter vieler Menschen in den letzten Jahren bewegte und die Menschen immer wieder mitnimmt. Wie sie wissen, wird Anfang Juni diesen Jahres in Heiligendamm der G8-Gipfel stattfinden. Die bisher getroffenen Sicherheitsmaßnahmen lassen darauf schließen, dass sich auch in diesem Jahr wieder viele Menschen zu dieser Konferenz begeben werden, um ihrem Unmut und ihrer Kritik des bestehenden Wirtschaftssystems Ausdruck zu verleihen. Deswegen scheint es geboten zu sein, auf die politische und soziale Bedeutung dieses Gipfeltreffens hinzuweisen.

In Heiligendamm werden sich Vertreter der sieben ökonomisch stärksten Länder und Russland treffen. Der Gruppe der Acht gehören Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, die USA und wie schon gesagt Russland an. Daneben ist in dem Gremium auch die Europäische Kommission vertreten. Spanien bemüht sich schon seit Jahren um die Aufnahme als vollwertiges Mitglied, was aber bisher noch nicht erreicht wurde. In der Gruppe der Acht sind die Länder zusammengefasst, die zusammen über 50% des globalen Handels kontrollieren. Offiziell dient dieses Gipfeltreffen nur rein informatorischen Zwecken.

Auf dem jährlichen Weltwirtschaftsgipfel treffen sich die Staats- und Regierungschefs der G8-Staaten und anderer Staaten. Kurz zuvor kommen die Außenminister der Staaten zusammen und erörtern speziell außenpolitische Themen. Daneben gibt es im Rahmen des G8-Prozesses ständige Konsultationen unter den Vollmitgliedern.

Gegründet wurde die Gruppe als G6, Gruppe der Sechs, 1975 im Rahmen eines Kamingespräches auf Schloss Rambouillet, an dem die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, damals vertreten durch Bundeskanzler Helmut Schmidt, Frankreich mit dem damaligen Präsidenten Valéry Giscard d‘Estaing als Gastgeber, Italien, Japan, Großbritannien und der USA teilnahmen. Die Themen damals waren die Währungspolitik nach dem Zusammenbruch des Wechselkurssystems von Bretton Woods und die Reaktion auf die erste große Ölkrise. Damals war der Gipfel als Forum geplant, um in kleinem Kreis über Finanz- und Währungsfragen zu diskutieren. Außenpolitische Themen haben sich dann aber bald in den Vordergrund geschoben. Russland ist zwar inzwischen ebenfalls Mitglied, von den finanz- und währungspolitischen Beratungen jedoch noch ausgeschlossen.

Aus den jährlichen Treffen in kleiner Runde ist inzwischen eine permanente Kooperation auf der Ebene von Ministern und hohen Regierungsbeamten geworden. Sie bereiten die jährlichen Gipfel vor, stimmen nationale Positionen ab und sorgen bereits im Vorfeld der Gipfel für eine teilweise Klärung unterschiedlicher Positionen. Zu diesem Zweck entsendet jedes Land so genannte Sherpas und Sous-Sherpas. Der von dem damaligen Bundeskanzler Schröder beauftragte deutsche Sherpa ist Dr. Bernd Pfaffenbach, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Ehemalige deutsche Sherpas von prominenter Reputation sind u.a. der derzeitige Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, Professor Horst Köhler, sowie der ehemalige Präsident der Deutschen Bundesbank, Professor Hans Tietmeyer.

Genauso wie die Gipfel der Welthandelsorganisation (WTO) wurden auch die G8-Gipfel immer wieder Ziel von Protesten der globalisierungskritischen Bewegung. Da zu diesen Protesten meistens ein breites Bündnis aus linken Parteien und Organisationen, Gewerkschaften, Nichtregierungs- Organisationen (NGOs), der antikapitalistischen und autonomen Bewegung aufruft, sind die Aktionsformen und Kritikpunkte sehr vielfältig. Daher kann hier nur ein kleiner Ausschnitt der Kritikpunkte genannt werden, die zum Teil nur von einzelnen Gruppen angeführt werden:

  • Die G8-Staaten würden ihre Verantwortung gegenüber den so genannten Entwicklungsländern nicht wahrnehmen bzw. durch ihre Politik deren Lage noch verschlechtern.
  • Die G8 wird als Zentrum des modernen Imperialismus begriffen.
  • Die G8 würde eine umweltzerstörende Politik betreiben.
  • Die Entscheidungen der G8 seien unzureichend bzw. gar nicht demokratisch legitimiert.

Großes Medienecho löste der Tod von Carlo Giuliani aus, der während der Proteste 2001 in Genua von einem Polizisten erschossen wurde. Auch sonst zeichnete sich dieser Gipfel durch ein äußerst gewalttätiges Vorgehen der Polizei aus, was im Resultat dazu führte, dass bis jetzt mehr Polizisten wegen Straftaten im Rahmen des G8-Gipfels verurteilt wurden als Demonstranten (siehe auch G8-Gipfel in Genua 2001).

In Deutschland begann bereits 2005 die Organisation der Proteste gegen den im Jahr 2007 geplanten Gipfel in Heiligendamm bei Rostock. Die Ausweitung und Eskalation der Proteste führt jedoch auch zu Kritik an den Protestgruppen selbst. Insbesondere angesichts des Vorwurfs unzureichender demokratischer Legitimation der G8-Entscheidungen werden die Bündnisse zunehmend mit der Frage nach der Basis ihres eigenen Mandats konfrontiert.

Man muss noch hinzufügen, dass mittlerweile die militanten G8-Gegner aber das Bild der globalisierungskritischen Bewegung stark beschädigt haben, da die Verantwortlichen nicht in der Lage sind, die ständigen Gewalteskalationen zu unterbinden. Einige Kritiker werfen ihnen sogar vor, bewusst die Gewalteskalationen nicht verhindern zu wollen.

Ich möchte hier nicht weiter auf die Formen der Proteste eingehen. Viel wichtiger ist es, zu untersuchen, ob die Vorwürfe gegen den G8-Gipfel gerechtfertigt sind. Ich möchte deshalb zwei Punkte herausgreifen, die mir besonders wichtig erscheinen. Zu untersuchen ist vor allem, ob der Vorwurf der mangelnden demokratischen Legitimation des Gipfels zutrifft. Weiter ist zu untersuchen, welchen Zielen dieser Gipfel dient, ob er, wie es vorgeworfen wird, das Zentrum imperialistischer Politik ist. Ich halte es deshalb für wichtig, eine Übersicht über unser politisches und ökonomisches System zu geben. Denn nur daraus lässt sich die Begründetheit dieser Vorwürfe ableiten.

In diesem Jahr trifft man sich unter deutschem Vorsitz in Heiligendamm um in multilateralen oder bilateralen Gesprächsrunden bestimmte politische Probleme zu diskutieren und auch die Politik aufeinander abzustimmen, ohne dass aber konkrete Beschlüsse in der gesamten Runde gefasst werden, die dann als verbindlich für alle gelten. Um zu begreifen, was dort passiert, muss man sich vor Augen halten, dass der G8-Gipfel keine den Nationalstaaten übergeordnete Institution ist. Vielmehr kommen die acht ökonomisch stärksten Nationalstaaten wie Geschäftsleute zusammen, stellen ihre Politik und ihre Ziele vor und versuchen ihre ökonomischen Interessensphären gegeneinander abzustecken, um mögliche Reibungspunkte abzubauen und eine klassische win-win-Situation herzustellen. D.h. zu einem solchen Ergebnis zu gelangen, das für alle Seiten einen gesteigerten Nutzen mit sich bringt, ohne die andere Seite zu beeinträchtigen.

Wie ich eben sagte, hat der G8-Gipfel eine ökonomische und eine politische Bedeutung. Ich möchte mich zuerst der ökonomischen Seite zuwenden. Dabei ist es unumgänglich auch auf unser Wirtschaftssystem einzugehen, dass man früher Kapitalismus nannte und heute eher Marktwirtschaft zu nennen pflegt. Der Begriff „Kapitalismus“ bezeichnet unser Wirtschaftssystem aber besser und genauer. Denn der Begriff „Marktwirtschaft“ gibt als Hauptmerkmal das Vorhandensein eines Marktes an, was die wissenschaftliche Betrachtung sehr erschwert. Denn auch im Mittelalter gab es ein Marktsystem. Auch wenn es nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat, war es da und könnte als Marktwirtschaft ausgegeben werden. Auch im Sozialismus gab es einen Markt im Inneren des Landes, für den produziert wurde, und es gab auch den Weltmarkt, auf dem die sozialistischen Länder kauften und verkauften. Es gab diesen Markt, obwohl die Schlüsselindustrien vergesellschaftet waren und mit der modernen Auslegung der „Marktwirtschaft“ nichts mehr zu tun hatte.

Ich muss darauf hinweisen, wenn wir heute von Kapitalismus sprechen, meinen wir nicht den Kapitalismus, der am Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts existierte und den Adam Smith und David Ricardo versuchten zu erklären. Der heutige Kapitalismus ist schon längst über dieses Stadium hinausgewachsen. Smith und Ricardo sahen sich mit einer Wirtschaft vieler kleiner Produzenten gegenüber, die für den Markt produzierten, ihn aber nicht überschauen konnten. Der Markt erschien als eine fremde Macht, der mit einer „unsichtbaren Hand“ das Wirtschaftsgeschehen lenkte. Heute sehen wir uns wirtschaftlichen Riesen gegenüber, die den Markt eines Landes und den Weltmarkt sehr wohl überblicken können, deswegen strategisch planen und die konjunkturellen Zyklen besser begegnen können. Schon am Anfang des 20. Jahrhunderts sah man sich wirtschaftlichen Gebilden gegenüber, die mit der viel gepriesenen freien Konkurrenz überhaupt nichts mehr zu tun hatten, die die freie Konkurrenz vielmehr aufhoben und ein Monopol darstellten. Prof. Robert Liefmann schrieb in seinem 1914 erschienenen Buch „Die Unternehmungen und ihre Zusammenschlüsse. Band 2 – Konzerne, Kartelle und Trusts“:

„Die Zunahme der Konkurrenz ist eine allgemeine Erscheinung der modernen Volkswirtschaft, und sie ist es, die in erster Linie die Entstehung der Kartelle veranlasst hat. Diese Zunahme der Konkurrenz ist also die Folge der gewaltigen Fortschritte der Technik, durch welche die Produktionskosten immer weiter herabgedrückt wurden und die Unternehmer, welche die neuesten Methoden verwendeten, einen Vorsprung vor den anderen erhielten. Sie ist ferner die Folge der fortgesetzten Erweiterung des Verkehrs und der Transportmittel, wodurch das Absatzgebiet eines jeden Unternehmers sich vergrößert und er mit einem immer größeren Kreis von Unternehmen in Interessengegensatz gerät. Sie ist endlich die Folge des außerordentlich gewachsenen Kapitalreichtums und vielleicht noch mehr der gesteigerten Beweglichkeit der Kapitalien in den vorgeschrittenen Volkswirtschaften, der dadurch erleichterten Gründung neuer Unternehmungen und der stark gestiegenen Unternehmungslust.
Der so gesteigerte Konkurrenzkampf hatte nun für alle Unternehmer die nachteiligsten Folgen. Auf der einen Seite vergrößerte sich immer mehr ihr Kapitalrisiko, auf der andern verminderten sich ihre Gewinne. Dies ging so lange, bis schließlich den Unternehmern der Gewinn nicht mehr als genügendes Entgelt für ihr gesteigertes Kapitalrisiko erschien. Sobald diese Ansicht einmal in einem Gewerbe allgemein geworden und die Erkenntnis durchgedrungen ist, dass gemeinsame Vereinbarungen hier Abhilfe schaffen könnten, ist die Grundlage für die Entstehung der Kartelle gegeben.“

An anderer Stelle schrieb er:

„Es war natürlich, dass die ersten Versuche zur Kartellbildung in einem Unternehmenszweige dann auftauchten, wenn die Konkurrenz am schärfsten geworden war und die dadurch geschaffene ungünstige Lage den höchsten Grad erreicht hatte. Denn anfangs glaubte noch jeder Unternehmer, dass er durch Preisherabsetzungen sich Beschäftigung und Absatz sichern könne, und suchte nach dem Grundsatz: großer Umsatz, kleiner Nutzen in einer möglichst großen Produktion Ersatz für sinkende Preise. Da aber jeder so dachte, wurde die Überproduktion immer größer, die Preise sanken immer tiefer, die schwächsten Unternehmungen gingen zugrunde, bis schließlich den Übriggebliebenen der Gedanke kam, durch Vereinbarungen dem ein Ziel zu setzen. So entwickelte sich aus dem ärgsten Konkurrenzkampf alsbald der Gegensatz: das Monopol. (…) Es ist hochinteressant, zu beobachten, wie sich dieser Übergang vom extremen Individualismus, von der absoluten Isoliertheit der Unternehmer zu immer fester organisierten Verbänden seit den siebziger Jahren allmählich in einer Industrie nach der anderen vollzogen hat.“

Aus der Konkurrenz entsteht die wirtschaftliche Vereinigung, die bis hin zum Monopol führen kann. Vom ohnmächtigen Gegenüberstehen der Marktkräfte führt die Entwicklung zur Marktbeherrschung. Aus dem Individualismus entspringen organisierte wirtschaftliche Strukturen. Der einzelne Unternehmer wird in seiner Handlungsfreiheit beschnitten und wird der Herrschaft der wirtschaftlichen Organisation unterworfen. Unternehmen, die sich einer wirtschaftlichen Organisation nicht anschließen wollen, werden aufs schärfste bekämpft und es bleiben nur wenige Auswege: Mitmachen, sich einer anderen Organisation anschließen oder untergehen.

Spricht man heute von Monopol, so wird dies meistens verneint, heißt doch Monopol eigentlich, dass nur ein Anbieter oder Abnehmer vorhanden ist. Die Wirtschaftswissenschaft sieht diese Begriffsbestimmung aber etwas differenzierter. Ich zitiere nochmals Prof. Robert Liefmann:

„Über das Wesen des Monopols sind nun in weiten Kreisen noch große Unklarheiten vorhanden. Man denkt dabei vor allem an das Staatsmonopol, bei welchem sich der Staat das ausschließliche Recht zum Betriebe eines Erwerbszweiges vorbehält, und sieht demnach eine Monopolstellung nur da als vorhanden an, wo das Aufkommen von Konkurrenten rechtlich oder doch tatsächlich vollkommen ausgeschlossen ist. Das ist aber zu eng. Im wirtschaftlichen Sinne ist eine Monopolstellung immer schon dann vorhanden, wenn ein erheblicher Teil der Nachfragenden seine Befriedigung nur durch einen Anbieter oder, wie bei den Kartellen, eine vereinigte Gruppe von Anbietern finden kann. Es ist also nicht nötig, dass nur ein einziger Anbieter vorhanden ist (absolutes Monopol). Es können mehrere Anbieter vorhanden sein, wenn nur aus irgendwelchen Gründen, z.B. größeren Transportkosten der anderen Anbieter zum Absatzorte, ein Teil der Nachfragenden auf die Befriedigung durch einen Anbieter angewiesen ist (relatives Monopol). Hier ist also die Konkurrenz nicht tatsächlich oder rechtlich ausgeschlossen, sie besteht gewissermaßen latent fort, sie tritt ein, sobald die Preisgestaltung so ist, dass sie über die Vorzugsstellung des relativen Monopols hinausgeht.“

Die freie Konkurrenz, wie sie heute noch von vielen „Gelehrten“ gepriesen wird, die man an Hochschulen und Schulen lieben lernen muss, diese freie Konkurrenz existiert schon seit über einhundert Jahren nicht mehr. Die Konkurrenz führt zur Konzentration des Kapitals und damit zu immer größeren Unternehmungen, die immer größere Marktanteile beherrschen. Welchen Organisationstyp diese großen Unternehmungen auch annahmen, eins blieb immer: Der Markt wurde unter immer größeren Gebilden aufgeteilt. Aber nicht nur der innere Markt eines Landes wurde aufgeteilt. In allen kapitalistischen Ländern hat sich die gleiche Entwicklung vollzogen. Der Kapitalismus hatte aber schon längst den Welthandel und den Weltmarkt geschaffen. Die entstandenen Konzerne arbeiteten nicht mehr nur auf dem inneren Markt eines Landes, sondern auch auf dem Weltmarkt und so entstanden internationale Kartelle oder Konzerne, die international arbeiteten. Neue Absatzmärkte wurden erschlossen und auf diesem Wege wurde die Welt mehr oder weniger unter den verschiedenen kapitalistischen Gruppen aufgeteilt. Die Jagd nach Kolonien ist ein Merkmal dieser neuen Zeit gewesen. Der Kampf zwischen den industriellen Mächten, um die Neuverteilung der Absatz- und Ressourcengebiete wurde zur Normalität.

Dass es auch heute noch solche wirtschaftlichen Ungetüme gibt, kann man nicht bestreiten. Im Jahr 1997 beliefen sich die Umsätze der 200 größten Konzerne der Welt auf weit mehr als ein Viertel der globalen Wirtschaftsaktivitäten. Ihre Umsätze sind größer als die Wirtschaftskraft aller Staaten bis auf die neun größten. Wenn man die neun ökonomisch größten Staaten weglässt, beträgt das Bruttoinlandsprodukt der verbleibenden Länder insgesamt 6,9 Billionen US-Dollar. Der Gesamtumsatz der 200 größten Konzerne betrug dagegen 7,1 Billionen US-Dollar. Der Umsatz dieser 200 Riesen ist stetig gewachsen und wächst immer noch. Im Jahr 1982 betrugen ihre Umsätze 24,2% des weltweit erwirtschafteten Bruttoinlandsproduktes. Im Jahr 1992 waren es bereits 26,8% und im Jahr 1995 28,3%.

15 Konzerne kontrollieren 90% des weltweiten Weizenhandels, 70% des Reishandels, 80% des Kupferhandels, 60% des Ölhandels, 90% des Eisenhandels und 90% des Ananashandels. Die fünf größten Konzerne im Produktbereich „Haltbare Konsumgüter“ vereinigen 70% des Weltumsatzes auf sich. Bei Pkws und Lkws sind es 58%, bei den Fluggesellschaften ebenfalls 58%, in der Raumfahrt 55%, bei den elektronischen Bauteilen 53%, bei Öl, Computer und Medien sind es jeweils 50% und im Bereich Stahl ebenfalls 50%.

Wie eben deutlich wurde, haben einige wenige Unternehmen eine ungeheure ökonomische Macht in sich vereinigt. Mit der Kontrolle über Investitionen, Produktion und Marketing haben die Konzerne die Macht, darüber zu entscheiden, welche Arbeitsplätze wo geschaffen werden, welche Arbeitsbedingungen gelten, welche Löhne gezahlt werden und welchen Lebensstandard die Beschäftigten haben.

Die monopolistischen Unternehmungen hatten aufgrund ihrer Größe schon zum Anfang des 20. Jahrhunderts einen so starken Einfluss auf die Politik gewonnen, dass es eine immer stärkere Verflechtung von Staat und Wirtschaftsunternehmen gab. Die Unternehmen schickten ihre Vertreter in die Parlamente, Regierungen und Kommissionen und übten dadurch entscheidenden Einfluss auf manche Politikbereiche aus. Ich möchte hierzu ein paar historische Beispiele aus der Zeit der Weimarer Republik anbringen. Heinrich Hörlein, seinerzeit IG-Farben-Manager und Mitglied des Reichsgesundheitsrates verhinderte, dass die Preise für Diphtherieserum halbiert wurden und sicherte damit dem IG-Farben-Konzern beträchtliche Gewinnen. Hermann Schmitz, seinerzeit Vorstandsvorsitzender der IG-Farben-AG beriet die Regierung Brüning in Finanzangelegenheiten. Das führte dazu, dass die Staatsausgaben gesenkt wurden; will heißen, die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst wurden gesenkt, die Unternehmenssteuern wurden gesenkt und die arbeitenden Menschen wurden mit einer saftigen Steuererhöhung versehen. In der früheren BRD hat z.B. der frühere Spitzenmanager des Thyssen-Konzerns Ernst Wolf Mommsen in den Jahren von 1969-1972 das Amt eines Staatssekretärs im Bundesverteidigungs- und im Bundeswirtschaftsministerium bekleidet. In den Jahren 1950-1957 war der damalige Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer, Paul Lücke, der Vorsitzende des Bundestagsausschuss für Wiederaufbau und Wohnungswesen.

Die genannten Beispiele haben nur exemplarischen Charakter und sollen lediglich aufzeigen, dass die Monopolgesellschaften die Politik mitbestimmten. Man braucht aber nicht so weit in der Geschichte zurückgehen, um zu zeigen, wie Konzerne die Politik beeinflussen. Wenn wir das heutige politische Geschehen in Deutschland und der Welt betrachten, sehen wir das gleiche. Vorsitzender für die Kommission für die Arbeitsmarktreform war der VW-Personalchef Peter Hartz, nach dem die folgenden Gesetze auch im Volksmund benannt wurden. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Friedrich Merz, tätig als Steuerberater für große Konzerne, empfahl die sogenannte Bierdeckelsteuerreform, die zu einer erheblichen Entlastung der Konzerne geführt hätte.

Wie diese Beispiele zeigen, ist der Zusammenhang der ökonomischen und politischen Interessen bisweilen unmittelbar, personalisiert und der Öffentlichkeit deutlich sichtbar. Ebenfalls offensichtlich wird es in den Fällen, die man als „Lobbyismus“ verniedlicht. In der Form von sogenannten Beraterverträgen, unverhältnismäßig hohen Honoraren, Zusicherung einträglicher Posten in der Wirtschaft und auch mittels „anonymer Spenden“ werden Mandatsträger und Beamte korrumpiert.
Max Schäfer schrieb im Jahr 1974 in seinem Buch: „Wer herrscht in der BRD?“:

„In diesen besonders augenfälligen Erscheinungsformen der Verfilzung ökonomischer und politischer Machtinteressen wird jedoch nur ein Teil des Umsetzungsprozesses sichtbar. Dieser Prozess ist in umfassenderer Weise als System organisiert. Über Unternehmerverbände, systemkonforme Parteien, staatliche Organe verdichten sich die Einzel- und Teilinteressen der Kapitalisten zu allgemeineren Branchen-, Gruppen-, Schichten- und Klasseninteressen. Der Prozess der Machtumsetzung ist somit ein Prozess der Konzentration ökonomischer Interessen, die Politik nichts anderes als der konzentrierte Ausdruck der Ökonomie. Die Organisationen und Institutionen wirken dabei als Zwischenglieder, die jeweils bestimmte Stufen der Interessenverdichtung besorgen. Die Beweglichkeit dieses Mechanismus, die Schnelligkeit der Umsetzung und die optimale Berücksichtigung und Abstimmung der unterschiedlichsten Einzelinteressen wird dadurch gewährleistet, dass die Organisationen und Institutionen in vielfältiger Weise und elastisch miteinander verflochten und mannigfach untergliedert sind.“

Was Schäfer damit sagen will, ist, dass sich die Unternehmungen untereinander organisieren und diese Organisationen verschiedene Gestalten annehmen. Zur Organisation, Konzentration und Vervielfachung vereinigen sich die Konzerne und andere Unternehmen in Verbänden, deren Tätigkeit sich nicht nur auf die Wirtschaft beschränkt und ihre politische Einflussarbeit auf wirtschaftliche Bereiche begrenzt. Die Politik dieser Verbände erstreckt sich über fast alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, von der Tarifpolitik über das Bildungswesen und den Umweltschutz bis zu rüstungswirtschaftlichen und außenpolitischen Fragen.

Man kann drei Arten dieser Verbände unterscheiden. Erstens die sogenannten wirtschaftspolitischen Verbände, die sich besonders auf die Beeinflussung der Politik konzentrieren. Zu ihnen gehören unter anderem der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ und der „Bundesverband Deutscher Banken“. In ihnen sind mehrere andere Spitzenverbände vereinigt. Als zweite Art der Unternehmensverbände kann man die Arbeitgeberverbände nennen. Sie stehen den Gewerkschaften im Lohnkampf gegenüber. Sie sind in der „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber-Verbände“ (BDA) organisiert. Als dritte Gruppe sind die öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft zu nennen. Zu ihnen gehören die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern usw. Sie dienen der Vertretung regionaler Wirtschaftsinteressen und die Unterhaltung von Wirtschaftsvertretungen im Ausland. Die einzelnen Industrie- und Handelskammern sind im „Deutschen Industrie- und Handelstag“ (DIHT) zusammengeschlossen. Diese Verbände haben den faktischen Charakter von Zwangsorganisationen. Kaum ein Unternehmer kann sich eine Außenseiterrolle neben diesen Verbänden leisten. Hinzu kommt, dass zum Beispiel die Mitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern an die Erlangung einer Gewerbeerlaubnis gekoppelt ist.

In diesen Verbänden geben die mächtigsten Konzerne den Ton an. Die Struktur der Verbände gewährleistet dies. Fast jeder Unternehmer gehört gleichzeitig je einem Verband der erwähnten drei Gruppen an, während die führenden Konzerne auf Grund ihrer breiten Kapitalanlagesphären und ihrer regionalen Ausdehnung in jeder dieser Gruppe Mitglied mehrerer Verbände sind.

Max Schäfer schrieb weiter:

„Die Daimler-Benz AG gehört nach eigenen Angaben zwölf Unternehmerverbänden an, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Firma nur eine Gesellschaft des Flick-Konzerns ist. Durch diese Mehrfachmitgliedschaft erhalten die Konzerne die Möglichkeit, in allen für ihre Interessen wesentlichen Verbänden maßgeblichen Einfluss auszuüben, in den für sie wichtigen Ausschüssen vertreten zu sein und Positionen in den Vorständen der Spitzenverbände zu besetzen. Der Abstimmungsmodus stärkt die Stellung des Konzernkapitals zusätzlich, da sich das Stimmengewicht in der Regel nach der Zahl der Beschäftigten, dem Umsatz oder der Kapitalgröße richtet.“

Hinzu kommt, dass es gesetzliche Bestimmungen gibt, die die verfahrensmäßige Beteiligung von Vertreter der Wirtschaftsverbände oder von Konzernen an der Vorbereitung von Gesetzen ermöglicht. Es gibt faktisch kein Gesetz von nennenswerter Bedeutung, bei dessen Vorbereitung die staatlichen Behörden nicht die Stellungsnahmen von den Wirtschaftsverbänden einholen. Die Verbände nehmen ihrerseits Einfluss durch Eingaben und Vorschläge, die mitunter den Charakter von Gesetzes- und Verordnungsvorlagen haben. Außerdem unterhalten Verbände und einzelne Konzerne Hunderte von Kontaktstellen und Lobbyisten.

Die Verbände konzentrieren sich dabei auf die Exekutive, auf die Verbindungen zum Bundeskanzleramt und zu den Ministerien, da der überwiegende Teil der Gesetzesentwürfe von der Regierung vorgelegt wird und nicht vom Parlament, und die letzteren zu einem weit geringeren Teil angenommen werden. Ein großer Prozentsatz der staatlichen Entscheidungen erfolgt ohnehin nicht auf dem parlamentarischen, sondern auf dem Verordnungsweg, was die Verbände dazu veranlasst, die meisten wichtigen Eingaben nicht dem Parlament vorzulegen.

Die Einflussarbeit der Verbände beschränkt sich aber nicht nur auf intensive mündliche oder schriftliche Kontakte. Die Verbände wirken auf die Personalpolitik der Regierung ein, bis zur Besetzung der obersten Ränge, der Minister- und Staatssekretärsposten. Sie nutzen dabei ihren Einfluss auf die Parteien aus, denen die personelle Besetzung der exekutiven Organe obliegt. Zugleich sichert ihnen der Einfluss in den Parteien die Einwirkungsmöglichkeiten in den parlamentarischen Gremien. Die politischen Parteien sind auf finanzielle Zuwendungen angewiesen, da die eigenen Mittel in den wenigstens Fällen ausreichen. Über die Verbände können Geldmittel der Konzerne schnell und in ausreichender Höhe zur Verfügung gestellt werden. Das hat zur Folge, dass Vertreter von Verbänden oder Konzernen die aussichtsreichsten Plätze auf der Kandidatenliste besetzen und dass Positionen und Interessen von Verbänden und Konzernen in Programmen und der politischen Praxis Berücksichtigung finden. Im Parlament besetzen sie wiederum wichtige Positionen in den Ausschüssen, in denen die Gesetzesentwürfe behandelt werden.

Aus dem bisher Gesagten geht klar hervor, dass es erstens keine freie Konkurrenz mehr gibt, dass es vielmehr eine kleine Anzahl monopolartiger Unternehmen gibt, die zweitens auf die demokratischen Einrichtungen unseren politischen Systems den größten und entscheidenden Einfluss ausüben. Das spiegelt sich in der realen Politik wieder. Man kann dies aber nicht nur für Deutschland sagen, man muss es vielmehr in allen Industrieländern, die an der Gruppe der Acht beteiligt sind, feststellen.

Wie ich anfangs bemerkte, gründete sich die Vorläuferorganisation der G8, die Gruppe der Sechs, um zu beratschlagen, wie man bestimmte ökonomische Probleme lösen kann. Damit wurde offensichtlich, dass der Staat immer stärker regulierend in den Wirtschaftsprozess eingriff und dass die Probleme nicht nur einen Staat betrafen, sondern mehrere. Das deutete also schon darauf hin, dass die Wirtschaften mehrerer Länder stark miteinander verbunden waren, dass einen Alleingang eines Staates fast unmöglich machte. Die Politik war also die Äußerung eines vorher vor sich gegangenen ökonomischen Prozesses, den man in der Wissenschaft „wirtschaftliche Integration“ nennt und den ich hier kurz erläutern möchte.

Obwohl die internationale wirtschaftliche Verflechtung schon vor dem ersten Weltkrieg einsetzte, lag sie in ihrem Ausmaß aber weit hinter der Entwicklung zurück, die nach dem Zweiten Weltkrieg eintrat. Ein Wesenszug der wirtschaftlichen Nachkriegsentwicklung der betreffenden G6-Staaten war das relativ rasche Wachstum der Industrieproduktion, besonders im Vergleich zu dem Zeitraum zwischen den Weltkriegen. Dafür gab es mehrere Ursachen, zu denen der wissenschaftlich-technische Fortschritt, die zunehmende Konzentration der Industrien und die damit verbundene zunehmende staatliche Regulierung, die vergrößerte Aufnahmefähigkeit des Binnenmarktes sowie die zunehmenden Vorteile der internationalen Arbeitsteilung zählen.

Die ökonomischen Daten belegen, dass in der Nachkriegszeit im Gegensatz zu den Jahrzehnten vorher, der Export weit deutlicher stieg als die industrielle Produktion innerhalb der Weltwirtschaft. Das lässt auf eine zunehmende internationale Arbeitsteilung schließen, was zweierlei Folgen hat. Erstens werden die einzelnen Länder in zunehmendem Maße von den Außenmärkten abhängig. Zweitens wirkt die steigende Exportquote auf das Entwicklungstempo der Wirtschaft und auf das Wirtschaftswachstum zurück. Aufgrund des wissenschaftlich-technischen Fortschritts wurde der Grundstein für die Produktion von Großserien vorbereitet und in diesem Zuge nahm das Produktionsvolumen der modernen Betriebe stark zu. Die optimalen Produktionsgrößen überstiegen nicht selten die Realisierungsmöglichkeiten auf dem Binnenmarkt. Der Warenexport wird für immer mehr Betriebe zu einer grundlegenden Bedingung für das Funktionieren des Produktionsprozesses. Während Anfang des 20. Jahrhunderts nur die größten Werke für den Export produzierten, hingen ab den 60er Jahren schon ganze Produktionszweige unmittelbar vom Export ab.

Der wissenschaftlich-technische Fortschritt wurde zu einem der wichtigsten Mittel, um die wirtschaftlichen Möglichkeiten eines Landes bzw. seiner Konzerne zu erweitern. Dabei greift der Staat aktiv in die Entwicklung von Wissenschaft und Technik ein. Wir bekommen dies schon seit ein paar Jahren direkt mit. Seit ein paar Jahren versucht die Bundesregierung verstärkte Anstrengungen in der Wissenschaft damit zu begründen, dass Deutschland nur dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit in der Welt erhalten und ausbauen kann. Wissenschaft und Technik spielen schon seit einigen Jahrzehnten eine besondere Rolle, um bestimmte Warenmärkte zu erobern und zu festigen.

Zugleich hat der schnelle wissenschaftlich-technische Fortschritt erhebliche Probleme mit sich gebracht, die sich im Konkurrenzkampf besonders zeigen. Auf der einen Seite schafft er ständig neue Möglichkeiten für die Entwicklung der Produktion. Der Produktionsprozess wird „beschleunigt“, indem es aufgrund der technischen Neuerungen immer notwendiger wird, Ausrüstungen noch vor ihrem physischen Verschleiß zu wechseln. Das erfordert von den Betrieben weit mehr Dynamik und Manövrierfähigkeit, als es vorher notwendig war. Auf der anderen Seite wird der Forschungs- und Entwicklungsprozess immer komplizierter und kostspieliger, was zu einer Zunahme der Trägheit und Beharrung auf alte Technologien führt. Denn die Entwicklung neuer Technologien und ihre schnelle Einführung, sind oft nicht mehr so leicht erschwinglich.

Hier kann man ein aktuelles Beispiel bringen. Vor kurzem hatte Angela Merkel vorgeschlagen, dass bis  (2010?) 20% des Energiebedarfs der EU-Länder mittels regenerativer Energien gedeckt werden sollen. Frankreich und Polen wanden sich strikt dagegen. Frankreich, weil es weiterhin auf Atomstrom setzt, und Polen, weil es bei der Kohleverstromung bleiben will. Deutschland hat hier den Vorteil, dass nicht nur schon ein umfangreiches Know-how im Bereich regenerative Energien gibt, sondern auch eine umfangreiche Industrie auf diesem Gebiet. Wenn sich also Angela Merkel durchsetzen sollte, dann bekommt die deutsche Wirtschaft einen klaren Wettbewerbsvorteil, denen die anderen Länder nicht so leicht wettmachen können.

Auch im Kapitalexport hat es gravierende Veränderungen gegeben. Vor dem ersten Weltkrieg gingen weniger als 40% des Kapitalexports in die seinerzeit entwickelten Industrieländer. Mehr als 60% gingen in die übrige Welt. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich dies in das Gegenteil verändert. Am Anfang des Jahrhunderts wurde ein Land als Kapitalanlagesphäre noch nach solchen Gesichtspunkten ausgewählt wie Rohstoffquellen, niedriger Bodenpreis und billige Arbeitskraft. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts sind andere Kriterien in den Vordergrund gerückt. Im Zusammenhang mit den tiefgreifenden Strukturveränderungen in der Wirtschaft bildeten nicht mehr so sehr die Gewinnung und Primärverarbeitung von Rohstoffen die profitabelsten Anlagesphären, sondern die sich durch hohen Verarbeitungsgrad auszeichnenden wissenschaftsintensiven Zweige. Zu einem wichtigen Kriterium des Kapitalexports ist auch die Marktaufnahmefähigkeit des Landes geworden, in das das Kapital ausgeführt werden soll. Das heißt, die Höhe der zu erwartenden Nachfrage nach künftigen Waren, für deren Produktion das Kapital investiert werden soll, ist ein entscheidender Punkt. Werden Fabriken in einem Land errichtet, dann meist zu dem Zweck, die Erzeugnisse dieser Betriebe entweder in dem betreffenden Land selbst oder aber in Nachbarländern abzusetzen. Heute dient der Kapitalexport in Form von Direktinvestitionen meist dazu, bestehende Betriebe in anderen Ländern aufzukaufen anstatt neue zu errichten. Es zeigt sich auch heute, dass in die entwickelten Industrieländer weit mehr Kapital exportiert wird, als in die Entwicklungsländer. So investierte die deutsche Wirtschaft im Jahre 2003 ganze 300 Mrd. Euro innerhalb der EU, wogegen lediglich 45 Mrd. Euro in den Entwicklungsländern investiert wurden.

Eine charakteristische Besonderheit der Nachkriegsperiode, die untrennbar mit der wissenschaftlich-technischen Revolution verbunden war, bestand in der zunehmenden Internationalisierung im unmittelbaren Produktionsbereich.

Staat und Wirtschaft waren gezwungen, die Produktionsverhältnisse den Erfordernissen der Entwicklung der Produktivkräfte nicht nur innerhalb eines einzelnen Staates anzupassen, sondern auch nach außen hin, in den Verbindungen und Beziehungen auf dem Weltmarkt. Dies wurde versucht, mit privatwirtschaftlichen Mitteln zu erreichen, z.B. Unternehmensbündnisse und abkommen, sowie mit staatlichen Mitteln, z.B. durch direktes Eingreifen des Staates in die Außenwirtschaftsbeziehungen. Die privatwirtschaftlichen Mittel sollen hier aber außen vor bleiben, denn für die Beurteilung des G8-Gipfels sind allein die staatlichen Maßnahmen von entscheidender Bedeutung.

Bevor die Wirtschaft in das Stadium eintrat, in der die monopolistischen Unternehmen vorherrschten, waren private Unternehmen die Subjekte der internationalen Wirtschaftsbeziehungen: anfangs einzelne Unternehmen, später Vereinigungen von Unternehmen. Die Preise wurden durch Angebot und Nachfrage reguliert. Inlands- und Auslandspreise unterschieden sich kaum. Im Prinzip gab es keine staatliche Kontrolle des Devisenverkehrs. Internationale Verrechnungen basierten auf Gold, dessen freie Bewegung die internationalen Bilanzen der verschiedenen Länder ausglich. Die Außenwirtschaftsfunktion des Staates beschränkte sich im Wesentlichen darauf, den Goldpreis festzulegen, Handelsverträge abzuschließen sowie in einzelnen Fällen durch protektionistische Maßnahmen schwache, konkurrenzunfähige Industriezweige vor der ausländischen Konkurrenz zu schützen. In dem Maße, wie die Konzentration der Produktion wuchs, wie die monopolistischen Unternehmen wuchsen, wie der Kapitalexport zunahm und die Konkurrenz zwischen Kapitalvereinigungen zunahm, wurde der Staat immer mehr in den ökonomischen Kampf um die Aufteilung der Welt in Absatz- und Einflussgebiete einbezogen. Schon am Anfang des 20. Jahrhunderts gingen die Staaten zu härteren Formen des Protektionismus über. Nun wurden weniger die schwachen als vielmehr die starken Unternehmen, die für den Export arbeiteten, unterstützt. Der Mechanismus der freien Preisbildung wurde dadurch immer mehr geschwächt und das internationale Währungs- und Kreditsystem verlor seine Stabilität.

Die Intervention des Staates erfolgte damals noch vorwiegend mit außerökonomischen, also politischen, diplomatischen und militärischen Mitteln. Es wurden Kolonialregime errichtet und eine Menge Eroberungskriege entfesselt.

In der Weltwirtschaftskrise brach das internationale Währungs-, Kredit- und Außenhandelssystem komplett zusammen, was dazu führte, dass der Staat sich zunehmend in die Wirtschaft einschaltete. Die Konzerne wurden mit allen erdenklichen Mitteln unterstützt, wie mit hohen Zollmauern, Importkontigentierungen und einer strengen Devisenbewirtschaftung. Zugleich wurden Methoden des „Wirtschaftskrieges“ auf dem Weltmarkt eingesetzt, z.B. direkte und indirekte Exportsubventionen und -prämien, staatliche Garantien für Exportkredite und Stimulierung des Waren- und Währungsdumpings. Es entwickelte sich ein Netz von staatlichen Behörden mit verschiedenen außenwirtschaftlichen Funktionen: Vergabe von staatlichen Anleihen und Krediten an andere Staaten, Regulierung des internationalen Arbeitskräfteflusses, Abschluss von Handelsabkommen sowie staatliche Anleihen.

Die wachsende ökonomische Rolle des Staates ist einerseits ein Ausdruck für die Erfordernisse der Entwicklung der Produktivkräfte unter den Bedingungen der wissenschaftlich-technischen Revolution. Andererseits macht sie deutlich, dass die heutige Produktion nicht mehr ausschließlich auf der Grundlage privaten Eigentums und privatwirtschaftlicher Methoden funktionsfähig ist.

Der Staat hat die Anreize erweitert und vervollkommnet, Waren auf den Außenmärkten zu realisieren. Das Ausmaß solcher staatlichen Maßnahmen wie Subventionierung der Warenausfuhr, Zahlung von Exportprämien und Steuerbegünstigungen für Exportfirmen hat zugenommen. In wachsendem Maße leistet der Staat Garantien für Exportkredite und bei der Versicherung von Außenhandels-, Fracht- und anderen Geschäften. Mit Hilfe des Staates begann man, aus dem Ausland bedeutende finanzielle Mittel, wissenschaftlich-technische Kenntnisse, technologische und organisatorische Erfahrungen, Fachleute und Wissenschaftler heranzuholen. Das wird einerseits dadurch erreicht, dass innerhalb des Staates günstige Bedingungen für den Import von Kapital, Arbeitskräften und Dienstleistungen geschaffen und andererseits entsprechende bilaterale Verträge mit Regierungen anderer Länder geschaffen werden.

Nationale Unterschiede in verschiedenen Politikbereichen bilden Hindernisse für die wirtschaftliche Annäherung verschiedener Länder, weswegen man bestrebt ist, diese abzubauen. Jedes Land hatte sein eigenes System der Regulierung der Löhne, der Berufsausbildung und der Sozialleistungen. Jedes Land hatte seine eigenen Gesetze für die Beziehungen zwischen Unternehmern und Arbeitern, zwischen Regierung und Gewerkschaften usw. Alle diese Unterschiede wurden sofort deutlich spürbar, als die Entwicklung enger Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Ländern, besonders im Bereich der Migration von Kapital und Arbeitskraft, aktuell wurde.

Staatliche Maßnahmen der einen Länder zur Regulierung der wirtschaftlichen Entwicklung (z.B. Erhöhung oder Senkung der Staatsausgaben, Anreiz oder Drosselung von Export und Import usw.) wirken sich unverzüglich auf den Produktionszyklus, den Grad der Inflation, auf die Zahlungsbilanzen in den anderen Ländern aus. Infolgedessen hängen nicht nur die einzelnen Wirtschaften, sondern die innere Wirtschaftspolitik der Industriestaaten immer mehr voneinander ab. Regulieren einzelne Regierungen ihre Wirtschaft separat und nicht gegenseitig abgestimmt, dann wächst die allgemeine Unbeständigkeit der Weltwirtschaft.

Die heutige Produktion verlangt einen großen, garantierten Markt, der über den nationalen Rahmen hinausreicht. Deshalb wurde es notwendig, die aus der nationalen Wirtschaftspolitik der einzelnen Staaten entstandenen Schranken abzubauen und die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Ländern so zu regeln, dass auf den verschiedenen Gebieten ihrer Wirtschaftstätigkeit stabile Beziehungen gewährleistet sind. Das gegenseitige Interesse der Industrieländer an ihren Märkten, an der gemeinsamen Beschaffung und Nutzung finanzieller Mittel und organisatorischer Erfahrungen veranlasste sie, gemeinsame Lösungen für ihre Wirtschaftsprobleme zu suchen und multilaterale Beziehungen aufzunehmen, mit denen sich jenes ökonomische und politische Klima schaffen lässt, das zur Förderung ihres gegenseitigen Wirtschaftsverkehr notwendig ist.

Ich hoffe, der kleine Exkurs in die wirtschaftlichen Zusammenhänge war nicht allzu ermüdend. Was ich damit erklären wollte, ist, dass solche Zusammenkünfte wie das damalige G6-Treffen und das heutige G8-Treffen sind das Ergebnis der ökonomischen Entwicklung und dienen dazu, internationale Konflikte zu entschärfen, die sich aus der globalen wirtschaftlichen Entwicklung entstehen. Das soll aber nicht heißen, dass die wirtschaftliche Konkurrenz unter den einzelnen Staaten dadurch aufhört. Natürlich hört sie dadurch nicht auf. Solche Treffen dienen lediglich als Ventil. Wie ich am Anfang schon sagte, treffen sich die Regierungsvertreter der acht stärksten Industrienationen und stehen sich wie Geschäftsleute gegenüber. Damit alle Seiten das höchst mögliche bekommen, müssen sie sich einigen. Der Stärkere bekommt mehr, der Schwächere weniger.

Aber wie sieht es nun aus mit der Berechtigung der Kritik an solchen Gipfeltreffen? Ist solch ein Treffen demokratisch legitimiert? Wenn man formal-rechtlich an diesen Sachverhalt herangeht, muss man sagen: Ja. Denn die Regierungen sind auf einem demokratischen Wege durch eine Wahl zustande gekommen. Wenn man allerdings fragen würde, ob die Entscheidungen, die dort getroffen werden, der Mehrheit der Bevölkerung nützen, müsste man sagen: Nein. Denn wie ich gezeigt habe, dominieren in der Politik die Interessen der Konzerne. Das gesamte politische System ist daran ausgerichtet. Wenn aber die Konzerne die nationale Politik dominieren, bestimmen sie auch die Positionen, die eine Regierung beim G8-Gipfel vertritt. Man sollte nicht denken, weil heute auf den G8-Gipfeln die Außenpolitik vorrangig ist, würde dies nicht den Interessen der Konzerne entsprechen. Ob man nun darüber diskutiert, wie man die Migrationsströme besser regulieren oder stoppen kann, oder ob man über den Irak diskutiert, immer stehen direkt oder indirekt wirtschaftliche Aspekte, also direkte oder indirekte Interessen der Konzerne, dahinter.

Ist das G8-Treffen das Zentrum eines modernen Imperialismus? Hier muss man ganz klar sagen: Ja. Denn hier machen die ökonomischen Großmächte unter sich aus, wer, wo und wieviel der Rohstoffe ausbeuten darf, wer hier oder dort ein kleineres oder größeres Absatzgebiet zugesprochen bekommt.