Endlager für Atommüll frühestens in 150 Jahren

Ein Endlager für radioaktiven Müll in Deutschland zu finden, wir noch lange Zeit brauchen. Davon geht die Arbeitsgruppe 3 der Endlager-Kommission des Bundestages aus, wie Ende April bekannt wurde. Es könnten durchaus noch 150 Jahre ins Land streichen, bis radioaktive Abfälle sicher gelagert werden können.

Nach einem Bericht, den Michael Sailer, Co-Vorsitzende dieser Arbeitsgruppe, am 20. April vorstellte, könnte sich die bundesweite Suche nach einem Endlager für radioaktiven Müll und dessen Verschluss um Jahrzehnte verzögern. Wie es in der Mitteilung der Endlagerkommission heißt, „könnte die Endlagerung sogar erst in 150 Jahren oder später abgeschlossen sein“. Es sei frühestens für 2045/2050 vorstellbar, dass der erste Atommüll in das Endlager gebracht wird und zwischen 2070 bis 2130 könnte die Einlagerung beendet werden. Weiter heißt es: „Das Ziel, die hoch radioaktiven Abfälle sicher und wartungsfrei im Bergwerk einzuschließen, sei erst zwischen 2095 und 2170 oder sogar später erreichbar.“

Weil es sich um einen „extrem langen Zeitraum“ handle, sprach sich Sailer für eine umfassende wissenschaftliche Begleitung des gesamten Such- und Einlagerungsprozesses aus. In der Vergangenheit wurden allerdings zahlreiche Fehler begangen, hieß es am 30. April aus der Endlagerkommission, die zu einem Versagen wissenschaftlicher Kontrollmechanismen geführt hätten. So sei im Atommülllager Asse „über vier Jahrzehnte unter dem Deckmantel einer wissenschaftlichen Forschungseinrichtung ein Endlager betrieben worden“. Kleine Expertenzirkel „hätten eine Wagenburgmentalität entwickelt“ und so seien mehrfach wissenschaftliche Erkenntnisse über Wasserzuflüsse in das Bergwerk unterdrückt worden.

Um so etwas künftig verhindern zu können, schlug Kommissionsmitglied Ulrich Kleemann vor, ein unabhängiges wissenschaftliches Kontrollgremium zu schaffen. Dieses soll das Auswahlverfahren für die Endlager begleiten und es solle mit ausreichend finanziellen Mitteln ausgestattet werden, um eine von den Behörden unabhängige Arbeit zu gewährleisten.

Michael Sailer schlug außerdem vor, dass ein künftiges Endlager gewährleisten müsse, dass die Abfälle geborgen und zurückgeholt werden können. „Wenn die mittel- und langfristige Sicherheit des Endlagers in Frage gestellt wird oder es in 80 oder 200 Jahren ein anderes Verfahren geben sollte, das viel besser ist, dann müssen die späteren Verantwortlichen sich umentscheiden können“, betonte Sailer.

Während die Endlager-Kommission noch diskutiert, schafft die Bundesregierung Fakten. Nach der EU-Richtlinie 2011/70/EURATOM sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, bis zum 23. August diesen Jahres den Bestand an radioaktiven Abfällen und abgebrannten Brennelementen zu erfassen und ein Nationales Entsorgungsprogramm (NaPro) vorzulegen. Dieses wurde in den Osterferien veröffentlicht und bis zum 31. Mai haben alle Bürger Deutschlands Gelegenheit zu diesem Programm Stellung zu beziehen und Einwendungen einzureichen.

Dazu ruft auch die Umweltorganisation „AG Schacht Konrad“ gemeinsam mit der IG Metall Salzgitter-Peine und dem niedersächsischen Landvolk Braunschweiger Land auf. Das NaPro zeichne sich dadurch aus, dass es vorhandene Probleme konsequent ignoriert, heißt es in dem Aufruf. So gehe das NaPro von unrealistischen Zeitprognosen aus und verliere kein Wort über den teilweise besorgniserregenden Zustand des zwischengelagerten Atommülls. Die Bundesregierung wolle das bisher einzige in Deutschland genehmigte Endlager, Schacht Konrad, erweitern und will in ihm deutlich mehr und anderen Atommüll einlagern, als beantragt und genehmigt worden ist, heißt es in einem Aufruf der Umweltorganisation. Außerdem ignoriere die Bundesregierung den Stand der Wissenschaft und die Diskussion der Endlager-Kommission, weil die Einlagerung im Schacht Konrad als nicht-rückholbar gilt.

Einwendungen können von der Internetseite der AG Schacht Konrad heruntergeladen und ausgedruckt werden.

Bild: Leuchtender Protest für den Ausstieg aus Gorleben (Greenpeace Marburg/flickr.comCC BY-NC-ND 2.0)

Zuerst veröffentlicht in: Unsere Zeit, Nr. 19/2015