Der europäische Emissionshandel wird reformiert. Darauf haben sich EU-Parlament und Ministerrat kürzlich geeinigt, nachdem einige osteuropäische Staaten ihren Widerstand aufgegeben haben. Statt des bisher anvisierten Starts im Jahr 2021 sollen die ersten Neuerungen ab dem 1. Januar 2019 gelten. Ziel ist es, den am Boden liegenden Preis der Verschmutzungsrechte zu stabilisieren. Es wird allerdings noch gezweifelt, ob der Emissionshandel dadurch wiederbelebt wird.
Noch im März hatten sich die EU-Staaten darauf geeinigt, die Reform des Emissionshandels „nicht später als 2021“ beginnen zu lassen. Während Deutschland auf eine Reform ab 2017 setzte, plädierten osteuropäische Staaten auf eine Einführung ab 2021. Das Handelsblatt erfuhr aus Diplomatenkreisen, dass Polen, Bulgarien, Rumänien und andere Staaten eine ganz harte Linie verfolgen würden. Wenn es nach ihnen ginge, würde eine Reform wohl immer weiter hinausgezögert werden, hieß es weiter. Manche Länder hätten auch darauf spekuliert, mehr EU-Finanzhilfen zu bekommen, falls sie einlenken würden. Nachdem allerdings Tschechien und andere Länder einlenkten, stand Polen allein mit seiner harten Haltung und die Sperrminorität im Ministerrat wurde nicht mehr erreicht.
Ab 2019 wird es nun eine Marktstabilitätsreserve im Handel mit Verschmutzungsrechten geben. Wenn zu viele Zertifikate auf dem Markt sind und ihr Preis zu niedrig ist, soll eine bestimmte Anzahl aus dem Markt genommen werden und in einem Fonds zwischengelagert werden. Fällt die Gesamtzahl der Zertifikate am Markt allerdings unter 400 Millionen Stück oder ist ihr Preis mehr als dreimal so hoch wie der Durchschnittspreis der vorangegangenen zwei Jahre, soll sich der Fonds wieder leeren und die Zertifikate wieder auf den Markt spülen. EU-Kommission, EU-Parlament und Europarat hoffen, auf diesem Wege den bestehenden Überschuss von zwei Milliarden Zertifikaten am Markt abzubauen und das erneute Entstehen von Überschüssen zu verhindern.
Die Hoffnung der osteuropäischen Länder wurde durch den Beschluss nicht enttäuscht. Ihnen wird bis 2025 ein bestimmtes Kontingent an Zertifikaten, sogenannte Solidaritätszertifikate, zugestanden, die nicht in die Marktstabilitätsreserve zurück fließen sollen. Da die Menge der Verschmutzungsrechte festgelegt ist, die in die Reserve fließen müssen, werden westeuropäische Staaten im gleichen Zug stärker belastet.
Der gefundene Kompromiss wird von fast allen Seiten begrüßt. Matthias Groote, SPD-Europaabgeordneter und Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion im Umweltausschuss zeigte sich darüber erfreut, dass die bisher ungenutzten Zertifikate und die etwa 900 Millionen, die schon aus dem Markt genommen wurden, gleich in die Reserve überführt werden sollen. So werde langfristig ein stabilerer CO2-Preis geschaffen, meinte er. Auch die Brüsseler Nichtregierungsorganisation Carbon Market Watch begrüßte die Entscheidung als „ersten wichtigen Schritt, um den Emissionshandel zu reparieren“.
Hildegard Müller, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sagte, die Marktstabilitätsreserve sei ein wichtiges Instrument und Voraussetzung zur Reform des europäischen Emissionshandelssystems. Allerdings sei zu bedauern, dass die Reformen erst 2019 eingeführt werden sollen statt 2017, wie der BDEW vorgeschlagen hatte.
Eva Bulling-Schröter, klimapolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, sieht die Reform skeptisch. Zwar sei zu begrüßen, dass die Reform früher starte. Aber soll der Emissionshandel wieder ordentlich funktionieren, „müssen die in die Marktstabilitätsreserve überführten Zertifikate-Überschüsse aber schnellstmöglich und endgültig gelöscht werden“. Sinnvoller sei zudem, den Kohleausstieg in Deutschland und in Europa einzuleiten.
Auch der holländische Europaabgeordnete Bas Eickhout gibt zu bedenken, dass noch heftige Diskussionen zu erwarten sind, bevor der Emissionshandel wieder richtig funktionieren wird. So sei bisher kaum über die Ausgestaltung der vierten Handelsperiode gesprochen worden, die 2021 beginnt. Die Frage sei noch offen, wie stark die Gesamtzahl der Zertifikate mit der Zeit sinken soll. Ein anderer Punkt sei der Umgang mit dem sogenannten „Carbon Leakage“, der Gefahr, dass die Industrie bei einem zu hohen Preis ins außereuropäische Ausland abwandert. Es gehe auch noch um die Zahl der Zertifikate, die kostenlos an die Industrie ausgegeben werden.
Bei den Schwierigkeiten, die es bei der Einführung einer Marktstabilitätsreserve gegeben habe, sei allerdings keine ambitionierte Vereinbarung zur Reform des Emissionshandels zu erwarten, meint Eickhout. „So wichtig der Emissionshandel für den europäischen Klimaschutz auch ist: Wenn wir uns nur darauf verlassen, werden wir sicher keinen Strukturwandel in der EU erleben“, sagte er gegenüber dem Online-Magazin klimaretter.info. Um den Anteil der Kohleverstromung zu reduzieren, bräuchte es zusätzlicher Instrumente. Seine Vorschläge: Die erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz müssten direkt gefördert werden, und man sollte über Effizienzstandards für den Kraftwerkssektor nachdenken.
Zuerst veröffentlicht in: Unsere Zeit, Nr. 21/2015