Wo immer es noch wegen der Ukraine-Krise politische Opposition in Deutschland gebe, sei er der Mann fürs Grobe, schreibt Susann Witt-Stahl in einem Kommentar für die Zeitung „Hintergrund“. In Talkshows führe es sich regelmäßig auf wie ein Elefant im Porzellanladen. Mitdiskutanten unterbreche er mit rüden Zwischenrufen, herrsche sie an und entziehe ihnen das Wort. Die Rede ist vom Vorsitzenden des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten im Europa-Parlament, Elmar Brok (CDU).
Brok ist seit 1980 Mitglied des Europa-Parlamentes und wird im Mai als Spitzenkandidat der nordrhein-westfälischen CDU erneut ins Rennen geschickt. Er ist stellvertretender Vorsitzender der konservativen EVP-Fraktion und deren außenpolitischer Sprecher. Er sitzt dem parlamentarischen Auswärtigem Ausschuss vor und ist Mitglied dessen Delegationen für die Beziehungen mit den USA und zur Parlamentarischen Versammlung der NATO.
Als stellvertretender Vorsitzender im Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung tritt er selbstverständlich für eine weitere Militarisierung der EU ein. Seine Positionen dazu hat er bereits 2002 in einem Aufsatz veröffentlicht. Die Union müsse im militärischen Bereich fortschreiten, um ihre Interessen wahrzunehmen, schrieb er damals. Waffenexporte seien ein Beitrag dafür.
Brok ist zudem Leiter des Stiftungsrates der seit 2013 bestehenden European Endowment for Democracy (EED), zu deren Aufgabenbereich die Unterstützung von westlich orientierten Oppositionsgruppen gehört. Vorbild für diese Organisation ist die 1983 von Ronald Reagan ins Leben gerufene National Endowment for Democracy, die flankierende Maßnahmen zu verdeckten, destabilisierenden Operationen der CIA in sozialistischen Ländern durchführte. Bereits im April 2013 heißt es in einem Papier des Europa-Parlamentes, dass ukrainische Organisationen Gelder des EED erhalten sollen. Entsprechend trat Brok bereits ab November letzten Jahres als Anheizer der ausufernden Proteste in Kiew auf und unterhält heute beste Kontakte zur Putschregierung. Im Februar hatte er noch erklärt, der von der Konrad-Adenauer-Stiftung aufgebaute Vitali Klitschko sei „der geeignete Staatspräsident“. Das EED hat im Februar Mittel zur Verfügung gestellt, um die englischsprachige Zeitung Kyiv Post zu finanzieren; weitere 150.000 Euro wurden als „emergency support“ deklariert. Broks „Engagement“ zur Erweiterung der Europäischen Union ist dabei nicht neu. Bereits 1989 hatte er in einem Aufsatz dargelegt, dass die Länder Osteuropas in die EU eingegliedert werden müssten.
Russland müsse in die Schranken gewiesen werden, dessen ist er sich sicher. Immer wieder tritt er mit der Forderung hervor, endlich Wirtschaftssanktionen zu verhängen. Gründe liefert er reichlich, wenn sie auch falsch sind. So behauptet Brok in einem Interview mit dem Donaukurier, Putin wolle ein Gas-Embargo verhängen. Dass zeige, dass dieser an keiner vernünftigen, friedlichen Lösung interessiert sei. Die Sanktionen könnten auch schrittweise eingeführt werden, sollte Moskau die Destabilisierung der Ostukraine weiter vorantreiben, sagte er gegenüber dem tagesanzeiger aus der Schweiz. Dass russisches Militär in der Ukraine sei, könne nicht bezweifelt werden, meinte er gegenüber t-online.de. Die Milizen, die in der ostukrainischen Region Donezk Militäreinrichtungen und Behörden besetzten, seien russische Offiziere. Das sehe man sogar an den Schuhen, will er durch abgefangene Funksprüche erfahren haben. Europa müsse mit Sanktionen „bis zum bitteren Ende“ reagieren, sagte er auf einer Festveranstaltung in Minden. Europa werde diese Auseinandersetzung gewinnen. Irgendwann werde sich die russische Bevölkerung fragen, wo das Butterbrot sei; dann werde die nationale Stimmung kippen.
Elmar Brok fällt nicht nur wegen seiner polternden, aggressiv anti-russischen Art auf. „Ganz nebenbei“ ist er Chef-Lobbyist des Bertelsmann-Konzerns. Hans Herbert von Arnim sagte im Interview mit dem manager-magazin, Brok sei ein krasser Fall von Lobbyismus. Von 1992 bis Mai 2011 sei er – neben seiner Tätigkeit als Europaabgeordneter – bei der Bertelsmann AG angestellt gewesen, ist bei lobbypedia zu lesen. In diesem Zeitraum wird sein Gehalt neben seinen Abgeordnetendiäten auf 200.000 Euro pro Jahr geschätzt. 2012 hat Brok gegenüber der Verwaltung des Europa-Parlamentes angegeben, monatlich bis zu 10.000 Euro von Bertelsmann bezogen zu haben. Ein Konzernsprecher teilte schon 2005 mit, dass es Broks Aufgabe als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses sei, „die internationalen gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen zu beobachten und für das Unternehmen mit Blick auf Investitionen zu bewerten“.
In den Jahren 2004/2005 kamen erstmals interne Bertelsmann-Papiere an die Öffentlichkeit, die Broks Lobbyarbeit dokumentieren. So habe er 1993/94 im Sinne von Bertelsmann auf die Gesetzgebung zum Urheberrecht und zur Fernsehrichtlinie Einfluss genommen. Er habe Lobbyarbeit gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geleistet – wieder im Sinne des Bertelsmannkonzerns, der Mehrheitseigner von RTL ist. Als Bertelsmann, die Deutsche Telekom und Leo Kirch 1997 einen Zusammenschluss beim digitalen Pay-TV planten, holte Brok Informationen beim damaligen Wettbewerbskommissar Karel von Miert ein, ob dieser mitziehen würde. Die Informationen hat er umgehend an seinen Auftraggeber weitergeleitet.
Zuerst veröffentlich in: Unsere Zeit, Nr. 17, 25.04.2014
Bild: European Parliament/flickr.com (CC BY-NC-ND 2.0)