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»Dieselgate« erreicht BMW

Der Dieselskandal weitet sich womöglich aus. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wirft nun auch BMW vor, die Abgassoftware manipuliert und illegale Abschalteinrichtungen in die Abgasreinigung seiner Fahrzeuge eingebaut zu haben. Anhaltspunkte dafür habe der Test von Autos der Marke im Straßenbetrieb ergeben. Dabei seien deutlich höhere Abgaswerte festgestellt worden als im Labortest, teilte die DUH am Montag mit.

Der Tagesspiegel berichtete gestern, dass die DUH in diesem Jahr insgesamt fünf BMW-Fahrzeuge untersucht hat, vier davon mit dem gleichen Motor. Alle zeigten demnach auffällige Werte bei den Stickoxiden (NOx). Beim jetzt veröffentlichten Fall geht es um einen BMW 320d nach Euro-6-Norm. Erstmals wurde dieser im September 2016 als Neuwagen zugelassen.

Die DUH hat in ihrem Emissions-Kontroll-Institut (EKI) die Abgaswerte des Fahrzeugs im realen Betrieb gemessen. Auffällig sei dabei gewesen, heißt es in einer Erklärung von gestern, dass die gemessenen Werte deutlich schwankten. Während das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Grenzwert für NOx einhielt, seien die Emissionen auf der Straße deutlich höher gewesen. Bei allen acht Messungen unter Straßenbedingungen emittierte das Fahrzeug das bis zu 7,2-fache des Erlaubten. Der europaweit geltende Grenzwert liegt bei 80 Milligramm pro Kilometer.

Womöglich illegale Abschalteinrichtung gefunden

Bei der Überprüfung der Motorsteuerung – auch mit Hilfe externer Experten – habe sich herausgestellt, dass die Software offenbar so programmiert gewesen sei, dass die Abgasrückführung bereits ab einer Drehzahl von 2.000 Umdrehungen pro Minute reduziert und ab 3.500 Umdrehungen komplett abgeschaltet werde. Eine solche Drehzahl erreiche man bereits bei 47 km/h im zweiten Gang, 70km/h im dritten Gang, 87km/h im vierten und 112km/h im fünften Gang, heißt es weiter in der DUH-Mitteilung zu den Messergebnissen. Für den international renommierten Verkehrsexperten Axel Friedrich deutet das auf eine Abschalteinrichtung hin. Das ist nach meiner Einschätzung von der europäischen Richtlinie nicht gedeckt“, erklärte Friedrich am Montag im ZDF-Magazin WISO.

»Die vorliegenden Messergnisse sind sehr klare Indizien dafür, dass hier Abschalteinrichtungen in der Motorsteuersoftware vorhanden sind«, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch dem Tagesspiegel. Diese müssten komplett entfernt werden. »Autos müssen in allen normalen Betriebssituationen eine voll funktionstüchtige Abgasreinigung haben«, so Resch weiter.

BMW widerspricht, DUH fordert amtliche Überprüfung

BMW widersprach den Anschuldigungen. »Es gibt bei der BMW Group keinerlei Aktivitäten und technische Vorkehrungen, den Prüfmodus zur Erhebung von Emissionen zu beeinflussen – das heißt, dass unsere Abgas-Systeme sowohl auf dem Prüfstand wie auch in der Praxis aktiv sind«, teilte BMW gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters mit. Außerdem hätten vergleichbare Fahrzeugtypen zahlreiche weltweit behördlich durchgeführte Nachprüfungen im letzten Jahr mit sehr guten Ergebnissen bestanden.

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Die Vorwürfe sind für den bayerischen Autobauer brisant. Als ähnliche Anschuldigungen gegen andere deutsche Konzerne erhoben wurde, hatte BMW stets erklärt, grundsätzlich keine Abschalteinrichtungen einzubauen. Noch auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) im September hatte BMW-Vorstandschef Harald Krüger versichert: »Wir haben an den Fahrzeugen nicht manipuliert. Wir haben Diesel, die sind sauber«.

DUH-Chef Resch kündigte am Dienstag an, den zuständigen Behörden die Untersuchungsergebnisse zu übergeben. Zudem forderte er eine »Überprüfung und gegebenenfalls Entzug der Typgenehmigung und einen amtlichen Rückruf für alle Fahrzeuge, die über eine illegale Abschalteinrichtung verfügen«.

Zuerst veröffentlicht in: Junge Welt vom 06.12.2017