Unsere Welt befindet sich im Wandel. Diese Einsicht zählt heute zum Allgemeingut und wird an sich nicht mehr von seriöser Seite bestritten. Die breite Diskussion in den Medien hat dazu geführt, dass wenigstens der Klimawandel als Ursache des Wandels anerkannt ist. Er ist aber nur eine unter mehreren Ursachen, die Wissenschaftler ausgemacht haben.
Jeder stellt sich wahrscheinlich ab und zu die Frage, wie die Welt in Zukunft aussehen könnte. Doch wonach fragen wir dann eigentlich? Wollen wir uns nur eine utopische Welt erträumen? Oder geht es uns darum, zu ergründen, welche Herausforderungen auf uns zukommen und wie wir die anstehenden Probleme lösen können?
Laurence C. Smith hat mit seinem Buch „Die Welt im Jahr 2050“ den Versuch unternommen, die Leser für letzteres zu sensibilisieren. Als Geowissenschaftlicher hat er sich längere Zeit mit den Folgen des Klimawandels beschäftigt. Er „berechnete die Fließgeschwindigkeit von Flüssen, vermaß Gletscherzungen, sammelte Bodenproben und Ähnliches.“ Bis er irgendwann herausfinden wollte, wie seine Beobachtungen in den nördlichen Breiten mit „noch größeren globalen Kräften verzahnt sind, die auf der ganzen Welt aufeinander einwirken.“
Der Blick in die Zukunft ist für ihn ein Gedankenexperiment, an dem er die Leser teilhaben lässt. Er untersucht, welche Entwicklungen in den nächsten 40 Jahren wahrscheinlich sind und was wir von ihnen erwarten können. Es liegt ihm dabei fern, einfach in die Glaskugel zu schauen und sich eine Zukunft zurecht zu schustern. Die Wissenschaft verfügt bereits über Werkzeuge und Modelle, mit denen ein Blick in die Zukunft gewagt werden kann. Dank immer neuer Erkenntnisse und Einsichten werden diese Modelle stets verfeinert und erweitert, so dass immer realistischere Szenarien entwickelt werden können. Freilich lässt sich damit nicht mit Bestimmtheit voraussagen, was in 40 Jahren an einem beliebigen Ort ganz konkret geschehen wird. Aber es lassen sich globale Trends oder globale Kräfte, wie sie Smith nennt, zeigen, die den Entwicklungsgang bestimmen.
Vier globale Kräfte macht Smith aus: die Entwicklung der Weltbevölkerung, die Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen, die Globalisierung und den Klimawandel. Alle vier stehen nicht für sich alleine, sondern sind miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. So gelingt es Smith gut, einige der künftigen Probleme darzustellen.
Im Jahr 2050 wird die Weltbevölkerung nicht nur von heute rund 7 Milliarden Menschen auf über 9 Milliarden angewachsen sein. Ein immer größerer Teil der Menschen wird in Städten leben. 2008 war es, so Smith, dass erstmals mehr Menschen in einer Stadt lebten als auf dem Land. Dieser Trend wird sich einerseits verstärken. Andererseits drängen die Menschen stärker in bestimmte Ballungszentren. Die Zahl der „Megalopolen“, der Städte mit zehn oder mehr Millionen Einwohnern steigt. Gab es 1950 nur zwei solcher Riesenstädte, gab es 2007 schon 19 und im Jahr 2025 wird mit 27 gerechnet. Im Jahr 2050 wird New York „Mühe haben, wenigstens eine unter den zehn größten Städten der Welt zu sein“. Bis 2050 wird Asien, der bevölkerungsreichste Kontinent mit dem heute noch größten Anteil an Bauern, fast genauso verstädtert sein wie Europa.
Diese Entwicklung hat für sich schon gewaltige Folgen. Denn ein immer kleiner werdender Teil der Weltbevölkerung wird in der Lage sein, selbst Nahrungsmittel zu produzieren und sich selbst zu versorgen. Die Stadtbevölkerung hingegen ist abhängig vom Stand der Technik, von Handel und Gewerbe. Um sie zu versorgen, muss die Landwirtschaft produktiver werden. Traditionelle Anbauweisen und die Artenvielfalt auf dem Acker werden zurückgedrängt und müssen einer mechanisierten Landwirtschaft mit gentechnisch veränderten Arten weichen.
Heute glauben wir, dass wir unsere Energieversorgung in den nächsten Jahren soweit umgestalten können, dass fossile Energieträger entbehrlich werden. Smith ist da anderer Meinung. Bis 2050 wird es aber aller Voraussicht nach nicht möglich sein, auf Öl und Gas zu verzichten. Zwar geht Smith davon aus, dass wir in diesem Bereich bedeutende Fortschritte machen, aber bis 2050 wird es uns nicht gelingen.
Ein anderes Kapitel beschäftigt sich mit den Folgen des Klimawandels, mit der Zunahme der Fluten und Dürren, mit den größer werdenden Schwankungen im Wasserhaushalt. Es wird in einigen Teilen der Welt nicht nur schwieriger, Landwirtschaft zu betreiben. Wir müssen auch einen immer größeren Aufwand betreiben, um unsere Städte mit ausreichend Wasser zu versorgen.
Die Erderwärmung und das Abschmelzen der Gletscher im hohen Norden bergen die Hoffnung, dass die Rohstoffe der Arktis zugänglich und für uns nutzbar werden. Dieses Kapitel ist besonders interessant, birgt es doch den Stoff für künftige Konflikte, die durchaus auch militärisch ausgetragen werden könnten. Bisher sind die Ansprüche der Arktisanrainerstaaten auf die Bodenschätze noch nicht abschließend geklärt. Doch folgt man Smith, muss man sich keine großen Sorgen machen. Auch wenn das Eis schmilzt, wird es bis 2050 kaum möglich sein, die arktischen Rohstoffe zu nutzen.
Jede langfristige Prognose muss sich beweisen. Sie muss das Expertenwissen offenlegen, dass ihr zugrunde liegt. Und das gelingt Smith mit seinem Buch. Egal um welchen Trend es sich handelt, immer wird der Leser in das Fachgebiet – leicht verständlich – eingeführt. So sind die beschriebenen Entwicklungen gut nachvollziehbar.
Allerdings – und das muss man dem Buch negativ anrechnen – erhebt Smith nicht den Anspruch, Wege aufzuzeigen, wie bestimmte Entwicklungen beeinflusst werden könnten. Er beschränkt sich auf die nüchterne Darstellung des Wissenschaftlers. Es ist auch durchaus verständlich, dass man bestimmte Annahmen setzen und von unvorhersehbaren Änderungen absehen muss, um eine Zukunft simulieren zu können. So nimmt Smith beispielsweise den Kapitalismus als Konstante in der weiteren Entwicklung an. Doch, so ließe sich auch zeigen, dass die Entwicklung in den Bahnen, die Smith zeigt, verlaufen wird, weil der Kapitalismus keine geeigneten Möglichkeiten bietet, einzugreifen, oder diese Möglichkeiten sogar ganz unmöglich macht.
Das Buch bietet auf jeden Fall ein reichhaltiges Hintergrundwissen und ist vortrefflich als Einstieg in die Diskussion über Ursachen, Folgen und Heraufforderungen des Klimawandels geeignet. Jedem, der sich näher mit dem Thema beschäftigen will, lege ich die Lektüre des Buches ans Herzen.
Zuerst veröffentlicht in: Marxistische Blätter, Nr. 2/2015