Die sozialen Proteste, die in den “westlichen” Ländern von der Occupy-Bewegung getragen werden, haben in Erinnerung gerufen, dass den “Herren des Geldes” die 99% der Bevölkerung entgegenstehen, die kaum oder kein Vermögen besitzen und von Jahr zu Jahr über immer weniger Güter verfügen. Das die Relation – 1 Prozent gegen 99 Prozent – zutreffend ist, wurde durch eine neue Publikation des Instituts für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung bestätigt. Im isw-spezial Nr. 26 schreibt Fred Schmid über “Die Herren des Geldes. Reichtum und Macht des 1%”.
Datengrundlage
Die Grundlage der Studie bilden verschiedene Reichtumsberichte von Investmentbanken, professionellen Vermögensverwaltern und Unternehmensberatungen. Neben den Berichten Credit Suisse: Global Wealth Report 2011 und Allianz Versicherung: Global Wealth Report 2011 fließen noch andere mit ein. Auch eine Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich über die gegenseitige Verflechtung der Transnationalen Konzerne konnte nutzbringend eingearbeitet werden.
Es wird hauptsächlich die Entwicklung des privaten Geldvermögens analysiert, da lediglich zwei Berichte über die Dimension des privaten Geldvermögens Auskunft geben. Das private Gesamtvermögen besteht aus aus Geldvermögen, Immobilien und hochwertigem Gebrauchsvermögen. Das analysierte Geldvermögen setzt sich aus Bargeld, Sichteinlagen, Spareinlagen, Termingeldern, Wertpapieren, Investmentzertifikaten, Aktien, Bausparanlagen, Anlagen bei Versicherungen und Fonds zusammen.
Tendenz-Aussagen
Die einzelnen Reichtumsberichte unterscheiden sich teilweise im Hinblick auf die Schwerpunktsetzung und einigen Aussagen. Folgende Tendenzen sind in allen Analysen gleich:
- In den vergangenen 20 Jahren fand ein ungeheurer Reichtumsanstieg statt. Besonders das Vermögen der Geldmillionäre wuchs überdurchschnittlich.
- Die Konzentration des Geldvermögens auf wenige hat sich verstärkt. Der Unterschied zwischen Arm und Reich ist nicht zu überbrücken.
- Der leichte Einbruch des Geldvermögens der Reichen zu Beginn der Finanzkrise 2008 ist innerhalb von zwei Jahren mehr als ausgeglichen worden. Bereits 2010 lag das Geldvermögen der Reichen trotz anhaltender Finanz- und Schuldenkrise deutlich über dem Vorkrisen-Höchststand.
Globale Vermögensentwicklung
Nach Credit Suisse betrug das weltweite Gesamtvermögen Mitte 2011 231 Billionen (231.000 Mrd.) Dollar; gegenüber dem Vorjahr ein Zuwachs von 19 Prozent (2010: 195 Billionen Dollar). Pro erwachsenem Erdenbürger ergibt das im Durchschnitt ein Vermögen von 51.000 Dollar. Gegenüber dem Jahr 2000 hat sich dieses Vermögen mehr als verdoppelt: damals 113 Billionen Dollar. […]
Die untere Hälfte der Weltbevölkerung besitzt weniger als ein Prozent des globalen Vermögens; auch die unteren zwei Drittel besitzen praktisch nichts: 3,3% des Weltgesamtvermögens. Dagegen besitzen die reichsten zehn Prozent (genauer: 8,7%) der Menschheit 84% des globalen Privatvermögens.
Und das Top-0,5% der Weltbevölkerung – Vermögens-Millionäre und Multi-Millionäre – nennt 38,5% des globalen Gesamtvermögens sein Eigen. An Hand einer Lorenzkurve lässt sich berechnen, dass das reichste 1% der Weltbevölkerung ca. 45% des Weltvermögens besitzt. Nach Schätzungen der Credit Suisse sind darunter 85.000 Personen mit mehr als 50 Millionen Dollar Vermögen und 29.000 mit mehr als 100 Millionen.
Zu fast drei Viertel liegt das weltweite Gesamtvermögen in den kapitalistischen Zentren: 34% in Europa, 28% in Nordamerika, 11% in Japan. Von den 10,9 Millionen Millionären leben 7,1 Millionen (65%) in den G7-Staaten.
Deutschland
In Deutschland leben 924.000 Dollar-Millionäre. Die machen 1,1% der Bevölkerung aus. In ihrem Besitz befinden sich 45,6% des gesamten deutschen Geldvermögens.
Die zehn reichsten Deutschen besitzen zusammen 104,8 Milliarden. Nach den Recherchen von ManagerMagazin gab es 2010 in Deutschland 108 Vermögensmilliardäre, deren gesamtes Vermögen sich auf 307 Milliarden Euro addierte. […] Dazu kommen noch 13 Milliardärs-Großfamilien, wie die Familien Brenninkmeyer, Henkel, Haniel, Heraeus, Porsche, Siemens usw. Sie brachten es zusammen auf weitere 71 Milliarden Euro (5,5 Milliarden im Durchschnitt pro Familie). Insgesamt gebieten die vom ManagerMagazin untersuchten 500 reichsten Deutschen plus die 13 Milliardärs-Familienclans über ein gesamtes Vermögen von über einer halben Billion Euro (550 Milliarden Euro). […] selbst unter den 513 Reichsten ist nochmals eine extreme Konzentration zu beobachten.. Die ausgewiesenen 108 Milliardäre und Multimilliardäre plus 13 Familiendynastien (=121) machen der Zahl nach knapp ein Viertel der 513 aus, sie nennen aber 70 Prozent der Supervermögen ihr Eigen.
Die 513 Superreichen Deutschlands machen selbst mit ihren Familienangehörigen weniger als ein Zehntel Promille (0,01%) der Bevölkerung aus, verfügen aber über mehr als die unteren 66 Prozent. Nach Berechnungen des DIW verfügen die unteren 70 Prozent der Bevölkerung über 5,8% des Nettovermögens; die 513 Milliardäre haben einen Anteil von 5,4%.
Struktur der Geldmacht
Man darf sich nicht vorstellen, die Reichen und Superreichen würden unbedingt die Macht, die sich aus ihrem Vermögen ergibt, direkt ausüben. Von den rund 5 Billionen Euro Geldvermögen sind in Deutschland 35% bei Banken, 25,9% bei Versicherungen, 12,1% bei Investmentfonds, 11,6% in Aktien, 9,7% in Renten- und Geldmarktpapieren und 5,7% in Pensionsrücklagen angelegt.
Die institutionellen Anleger, bei denen das Geldvermögen deponiert ist, sind die entscheidene Macht in der Wirtschaft. Anders als die Geschäftsbanken geben sie das Geld nicht als Kredite aus und fördern die wirtschaftiche Entwicklung. Sie legen das Geld in Aktien, Anleihen Derivaten oder anderen handelbaren Schuldpapieren an – sie ermöglichen damit keine gesteigerte Produktion, sondern eignen sich nur die erwirtschafteten Gewinne an.
Die Institutionellen in Verbindung mit den Banken sind aber nicht nur die Repräsentanten des heutigen Finanzkapitals. Sie sind die realen Akteure der vielzitierten “Märkte”. Nicht ein anonymes Mysterium Finanzmarkt, sondern diese Geld-Molochs bestimmen das Schicksal von Belegschaften, je ganzer Volkwirtschaften, sie wollen mit immer mehr Geld und Zinsen befriedigt, beruhigt, wohlgestimmt werden, sich ihr “Vertrauen” abkaufen lassen.
Es muss nicht besonders hervorgehoben werden, dass sie durch ihre Geld- und Entscheidungsmacht das politische System dominieren.
In der Studie “The network of global corporate control” von der ETH Zürich wurde analysiert, wie die Akteure der Weltwirtschaft zusammenhängen. Drei Prozent der transnationalen Konzerne kontrollieren 80 Prozent der Umsätze aller transnationalen Unternehmen. 147 transnationale Konzerne bilden einen geschlossenen System; sie kontrollieren sich gegenseitig und befinden sich über ein kompliziertes Geflecht von Beteiligungen größtenteils in wechselseitigem Besitz. Sie sind so weit verflochten, dass der wirtschaftliche Ruin eines Unternehmens leicht andere mit in den Abgrund zieht.
Als der Versicherungsriese AIG im Herbst 2008 in Turbulenzen geriet, musste die US-Regierung 182 Milliarden Dollar mobilisieren, um den Finanzgiganten zu retten und zu verstaatlichen. Davon wurden Gläubiger wie Goldman Sachs und die Deutsche Bank ausbezahlt, mit insgesamt mehr als 60 Milliarden Dollar. Andernfalls wäre es womöglich zu einer Kettenreaktion und zur Kernschmelze im internationalen Finanzsystem gekommen.
Umverteilung von unten nach oben
Woher kommen diese Vermögen? Schmid zeigt Wege, die in der Vergangenheit eingeschlagen wurden und zu einem Steigen der großen Vermögen geführt haben.
Zum Einen wurde die Lohnquote gesenkt, d.h. der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen ist gesunken. Die Arbeiter und Angestellten hätten im Jahr 2010 gut 100 Milliarden Euro mehr bekommen, wäre die Lohnquote auf dem Stand des Jahres 2000 stehen geblieben.
Über das Steuersystem werden große Vermögen und Unternehmen privilegiert. Schmid zeigt sehr detailiert, wie sich einzelne Maßnahmen der Bundesregierungen auswirkten und einen Beitrag zur wachsenden Ungerechtigkeit beitrugen.
Eine Änderung des Wirtschaftssystems mit massiven Eingriffen in das Eigentum scheint geboten zu sein.
Würde man z.B. den deutschen Euro-Millionären 50 Prozent – natürlich gestaffelt nach der Höhe ihres Geldvermögens – wegsteuern, dann ließen sich mit der vereinnahmten 1,1 Billionen Euro die Staatsschulden halbieren. Die Millionäre aber hätten immer noch ein Finanzvermögen auf dem Stand von etwa 2003, müssten also nicht gerade zum Betteln gehen.
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