Zwischen Deutschland und Russland scheint es eine Annäherung zu geben – wenn schon nicht offen auf der politischen Bühne so doch auf wirtschaftlicher Ebene. Die Energiekonzerne E.on und Wintershall aus Deutschland sowie OMV aus Österreich haben kürzlich beschlossen, die Kapazitäten der bestehenden Northstream-Pipeline in der Ostsee bis 2019 zu verdoppeln. Das ermöglicht den Gastransport von Russland nach Deutschland und umgeht dabei die Länder Osteuropas. Ebenfalls kürzlich hat der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF gemeinsam mit Gazprom bekanntgegeben, ein zuletzt 2014 gescheitertes Geschäft wieder zu beleben.
Für Frank Umbach, Forschungsdirektor am European Centre for Energy and Resource Security (EUCERS) des Kings’s College in London, ist die Sache klar: Gegenüber der Zeitung Die Welt erklärte er kürzlich, er sehe „zumindest in Deutschland und Österreich“ die Tendenz, die Beziehungen zu Russland über die Köpfe vieler EU-Länder hinweg wieder zu normalisieren. „Einmal mehr gehen Interessen einzelner Länder und Konzerne auf Kosten einer einheitlichen EU-Politik“, sagte er der Welt. Offenbar seien beide Geschäfte nicht mit Brüssel abgesprochen.
Vor allem die Erweiterung der Kapazitäten der Ostseepipeline scheint den strategischen Plänen der EU-Kommission zu widersprechen. Maroš Šefčovič, EU-Kommissar für die Energieunion, meinte dann auch gegenüber dem Brüsseler Magazin Politico, dass dieser Ausbau eine Menge Fragen aufwerfe. Einerseits wolle die EU unabhängiger von russischem Erdgas werden und auf der anderen Seite würde dieses Projekt die Abhängigkeit verstärken. Im Frühjahr erst hatte die Kommission ein Strategiepapier veröffentlicht, wonach die Union daran arbeiten müsse, sich Alternativen zu Russland als Energielieferanten zu erschließen.
Gleichzeitig würde es die Ukraine betreffen. „Welche Schlüsse sollen wir ziehen, wenn das Ziel eines solchen Projektes ist, die ukrainische Transitroute praktisch stillzulegen“, fragte er in Politico. Der Ukraine drohe immerhin, seine geostrategische Position als Transitland für russisches Gas zu verlieren. Dass die Ukraine künftig tatsächlich umgangen werden könnte, ist anzunehmen, haben doch Gazprom und die russische Regierung immer wieder erklärt, den Gasexport nach Europa wegen des Dauerkonflikts zwischen beiden Ländern ab 2019 über andere Routen abzuwickeln. Die Sorge der EU-Kommission ist, dass der de facto bankrotten Ukraine künftig auch die Einnahmen aus den Transitgebühren verloren gehen. „Ich hoffe, diese Unternehmen verstehen ihre Verantwortung für die gesamte Versorgungssicherheit für Gesamteurpa und nicht nur Teile von ihm“, sagte Šefčovič mit Blick auf die Energiekonzerne.
Nun haben BASF und Gazprom auch noch angekündigt, ihr Tauschgeschäft durchführen zu wollen, dass erst 2014 gescheitert war. Wintershall, die Kasseler Unternehmenstochter von BASF, soll demnach sein komplettes Gashandel- und –speichergeschäft abgeben. Im Gegenzug solle das Unternehmen einen Anteil am Urengoi-Gasfeld in Russland bekommen.
Nachdem die EU Sanktionen gegen Russland verhängt hatte, scheiterte das Geschäft vorerst. BASF machte damals das schwierige politische Umfeld angesichts der Ukraine-Krise für das Scheitern verantwortlich. Nun erklärte der Konzern, die Transaktion solle, wie bereits im Dezember 2013 vereinbart, mit wirtschaftlicher Rückwirkung zum 1. April 2013 erfolgen.
Die Europäische Kommission hatte zwar bereits Anfang Dezember 2013 grünes Licht für das Geschäft gegeben, unumstritten war es allerdings auch damals nicht. So mancher deutscher oder europäischer Politiker hegte Vorbehalte, da man eine noch größere, einseitige Abhängigkeit von russischen Energielieferungen befürchtete.
Mit dem Deal bekommt Gazprom Zugriff auf rund ein Viertel der deutschen Gasspeicher. Dazu zählt auch der größte natürliche Erdgasspeicher Europas im niedersächsischen Rehden. Dort kann auf einer Fläche von acht Quadratkilometern in 2000 Meter Tiefe so viel Erdgas gespeichert werden, dass sich damit zwei Millionen Einfamilien-Häuser ein Jahr versorgen ließen. Der Speicher ist allerdings nicht zu verwechseln mit einem strategischen Speicher, denn so einen gibt es in Deutschland nicht. Gas wird hierzulande vielmehr von privaten Betreibern zu dem Zwecke gespeichert, das Angebot zu verknappen, wenn der Gaspreis zu niedrig ist.
Mit dem österreichischen Energiekonzern OMV hat Gazprom einen anderen „Megadeal“ angeschoben. OMV will sich mit knapp einem Viertel ebenfalls an dem Urengoi-Feld in Russland beteiligen, teilte der Konzern mit. Beide Unternehmen hätten dazu exklusive Verhandlungen vereinbart. Im Gegenzug zu den 24,98 Prozent am Gasfeld will sich Gazprom an Geschäftsteilen der OMV beteiligen. Welche das sind, sei jedoch noch offen, sagte OMV-Chef Rainer Seele, der vorher Chef von Wintershall war.
Österreich ist ein wichtiges Transitland für Erdgas aus dem südeuropäischen und kaspischen Raum. Russland will mit dem Bau der südlichen Pipeline „Turkish Stream“ die Türkei zu einem südlichen Drehkreuz der europäischen Erdgasversorgung machen. Von dort soll das Gas dann weiter über den Balkan und Österreich nach Norden transportiert werden.