DDR – Fliegender Holländer mit drei Buchstaben Previous item Millionen für heiße Luft Next item Die Herren des Geldes...

DDR – Fliegender Holländer mit drei Buchstaben

Gescheitert und gesunken. In den zahllosen Behauptungen ist das Schiff des Fliegenden Holländers untergegangen und taucht doch wieder im richtigen Moment auf. Klaus Huhn greift diese Geschichte auf, um zu zeigen, dass es noch einen Fliegenden Holländer gibt, einer, der real existierte, der verteufelt wird und doch immer wieder aus der Versenkung auftaucht, immer dann, wenn man ihn braucht.

Der unheilvolle Seefahrer hat drei Buchstuben und heißt DDR.

In den letzten 22 Jahren hat man sich einiges einfallen lassen, um der DDR ein Aussehen zu geben, die sie nicht hatte. Viele der ehemaligen Einwohner der DDR haben es noch gut in Erinnerung, wie dieser Staat war, welche Mängel und Vorzüge er hatte, auch wenn man die Vorzüge erst nach der Rückwende 1989/90 zu schätzen lernte. Aber diese teilweise positiven Erinnerungen werde nicht gern gesehen. Politik und Medien bieten viel auf, um die DDR zu delegitimieren. Auch wenn die Versuche meistens nicht sehr stichhaltig sind, werden sie mit großem Elan betrieben.

Klaus Huhn hält dagegen. In zahlreichen Beispielen schildert er, wie Politik und Medien die DDR delegitimieren wollten und in ähnlicher Weise wahrscheinlich immer noch wollen. An zwei Beispielen soll das kurz illustriert werden. Zum einen handelt es sich um die Opfer der Mauer und zum anderen den vorprogrammierten Werdegang “politisch unzuverlässiger” Personen.

Die Opfer der Mauer

Zweifelsohne war das Grenzregime, dass zwischen der DDR und der BRD existierte, alles andere als eine zufriedenstellende Lösung. Es muss aber festgestellt werden, dass auch heute noch gravierende Mängel in der Aufarbeitung bestehen.

Auch wenn es um Fakten zu diesem Thema ging, würde die Realität oft verzerrt. In der 2006 erschienen Ausgabe (Nr. 39) des von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebenen DeutschlandArchivs räumten Hans-Herrmann Hertle (Potsdam) und Gerhard Sälter (Berlin) in ihrem Beitrag ‘Todesopfer an Mauer und Grenze’ ein: ‘Eine zuverlässige, quellengestützte und überprüfbare Bilanz des Grenzregimes der DDR, die kritischen Nachfragen standhalten würde, liegt demnach nciht vor. Ja nach Grundlage, Zweck und Zeitpunkt der Erfassung bewegen sich die Zahlenangaben zwischen 197 bzw. 274 (Zentrale Erfassungsstelle Salzgitter), 270 (Staatsanwaltschaft Berlin), 421 (Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität) und 1.135 (Arbeitsgemeinschaft 13. August).

 Klaus Huhn vermerkt an der Stelle zutreffend, dass es sonderbar ist, dass man sich an der einen Stelle immer wieder auf ungenaue Angaben beruft, wobei man je nach Belieben weniger oder mehr angeben kann. Auf der anderen Seite wird überhaupt icht thematisiert, dass es in den 50er Jahren an der Westgrenze der BRD immer wieder zu Todesopfern kam, weil Kaffeeschmuggler von Zollbeamten erschossen wurden. Huhn zitiert ausführlich eine Debatte des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 1952, in der angesprochen wurde, dass selbst Unschuldige von Zollbeamten an- und erschossen wurden, nur weil sie nicht gleich beim ersten Kommando stehen blieben. Und er zitiert auch die Rede eines CDU-Abgeordneten, der diesen Schießbefehl verteidigt.

Für den Leser dürfte neu sein, dass in den Jahren 1993 bis 2006 rund 170 Menschen an der deutschen Ostgrenze durch den Einsatz von Schusswaffen starben.

Wer nicht gehorchte, durfte kein Abitur machen

Ein immer wieder angeführtes Argument, um die DDR als Unrechtsstaat zu denunzieren, ist, dass niemand Abitur machen durfte, wer aus einer Geistlichenfamilie kam oder sich sonst irgendwie dem Staat verweigerte. Angela Merkel dürfte ein prominentes Beispiel sein, dass ersteres nicht unbedingt zutraf. Der ehemalige Bundesverkehrsminister Tiefensee ist für zweiteres ein Beispiel.

Tiefensee hatte sich den Jungen Pionieren verweigert und ist nicht in die FDJ eingetreten.

Dennoch beendete er die Schule mit dem Abitur. Danach lehnte er den Dienst in der NVA ab, weshalb man ihn zu den Bausoldaten schickte. Dass er anschließend studierte, paßte zwar auch nicht ins heute verbreitete DDR-Bild, wurde aber hingenommen. Tiefensee beendete sein Studium als Ingenieur für industrielle Elektronik, und bekam umgehend einen Job als Entwicklungsingenieur im VEB Fernmeldewerk Leipzig. Dort bot man ihm die Chance, sich nebenbei um ein zweites Studium zu kümmern, das er als Fachingenieur für Informatik im Bauwesen beendete. Aller guten Dinge sind drei. 1988 beendete er auch noch ein Studium als Diplomingenieur für Elektrotechnik.

 Trotz seines Werdegangs sagte er später auf die Frage, wie man mit einer solchen “oppositionellen Haltung in diesem Unrechtsstaat Karriere machen konnte”: “abseits der asphaltierten Straßen, wenn man so will”.

Klaus Huhn überzeugt, er bringt Quellen, seine Aussagen lassen sich nicht einfach vom Tisch wischen.

Was war die DDR wirklich? Welche Perspektiven hatten die Menschen? Das sind Fragen, die man sich nach der Lektüre stellen muss.

Klaus Huhn: Fliegender Holländer mit drei Buchstaben; ISBN: 9783360020000; 5.95€

Bildquellen

  • 8631089_8631089_xl: Bildrechte beim Autor