Das Schmierentheater der Kohlelobby Previous item Keine Auskünfte mehr zu... Next item Die Welt im Jahr 2050...

Das Schmierentheater der Kohlelobby

Die Kohlelobby versteht es, sich zu inszenieren. Kaum hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) seine Vorstellungen zur Reform des Strommarktes vorgetragen, wird in den Kohlerevieren Katastrophenstimmung verbreitet. Die Bergbaugewerkschaft IG BCE brachte 2000 Kumpel zum Kraftwerk Jänschwalde, um gegen den „Klimawahnsinn“ zu protestieren, und bis zum unbedeutendsten Lokalreporter setzen sich in der Lausitz alle für die Interessen Vattenfalls ein.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) meint, es sei schlechter Stil von Gabriel, seine Eckpunkte vorzutragen, ohne sie vorher mit ihm abgestimmt zu haben. Fast im selben Wortlaut wie Vattenfall-Chef Tuomo Hatakka gab er zum Besten: Kohlekraftwerke würden durch den von ihnen verlangten Klimabeitrag unrentabel und innerhalb weniger Jahre müsste die Hälfte des konventionellen Kraftwerkparks stillgelegt werden. In der Lausitz würde die Stromproduktion ab 2017 zum Erliegen kommen, log Hatakka den Kumpels ins Gesicht. Brandenburgs ehemaliger Wirtschaftsminister und Mitglied der Linken-Fraktion im Landtag, Ralf Christoffers, behauptet mit fast denselben Worten wie BDI-Präsident Ulrich Grillo, durch die geplanten Maßnahmen würde in Europa fast kein Gramm Kohlendioxid eingespart, weil man dann eben Kohlestrom aus Polen importieren müsste. Brandenburgs heutiger Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) sprach von einem „Stilllegungsprogramm für die Braunkohlekraftwerke“, was einer „fristlosen Kündigung“ für das ganze Revier gleich komme.

Die Show, die in der Lausitz von Vattenfall, Politik, IG BCE und den Medien abgezogen wird, ist – wohlmeinend ausgedrückt – nichts anderes als bürgerliches Polittheater. Die Bundesregierung hatte Anfang Dezember beschlossen, dass der Energiesektor seinen Ausstoß von Kohlendioxid reduzieren müsse, damit das Klimaziel bis 2020 eingehalten werden kann. Von der Entscheidung, die vor vier Monaten auch von der CDU getroffen wurde, will die Union heute plötzlich nichts gewusst haben, und die Landesregierungen von Brandenburg und Sachsen geben sich überrumpelt – genauso wie die Energiebranche selbst.

Gabriel war im Dezember beauftragt worden, in diesem Jahr Vorschläge vorzulegen, wie der Beschluss der Regierung umgesetzt werden könne. Selbst diese Vorschläge sind schon seit einiger Zeit bekannt und wurden in Fachkreisen diskutiert. Dennoch behauptet Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) felsenfest, von Gabriels Plänen bisher nur ein paar Folien zu kennen, und deshalb verschiebt die Union das geplante Koalitionstreffen ein auf das andere Mal. Offensichtlicher kann man keine Sabotage der eigenen Beschlüsse betreiben.

Bisher hatte die Bundesregierung auf die Kräfte des Marktes gesetzt. Mittels Emissionshandel sollte der Preis für jede Tonne ausgestoßenem Kohlendioxid stetig steigen und die Kraftwerksbetreiber zu Investitionen in moderne Technologien angeregt werden. Aber der Emissionshandel liegt seit Jahren am Boden und eine Reform wird wohl erst 2021 möglich. Deshalb will die Bundesregierung vorübergehend ein nationales Instrument einführen, dass den Ausstoß von CO2 verteuert – ähnlich wie in Großbritannien. Das Instrument ist aber so gestaltet, dass 90 Prozent der Kraftwerke überhaupt nicht betroffen sind. Nur die alten, besonders schmutzigen Kraftwerke werden getroffen, und das stört die Energiekonzerne, denn diese sind unter den heutigen Bedingungen besonders profitabel. Selbst die Überkapazitäten am Strommarkt werden nicht gänzlich abgebaut: Die Bundesregierung geht davon aus, dass Deutschland auch weiterhin ein Netto-Stromexporteuer bleiben wird.

Vattenfall dürfte es ohnehin um etwas anderes gehen, als um die Zukunft der Kohlekumpel. Der Konzern will seine Braunkohlesparte verkaufen und das möglichst teuer. Der tschechische Energiekonzern EPH ist gewillt, die Vattenfall-Tochter zu kaufen. Doch der Preis hängt von der Zukunft der Kohle ab, und um diese im Sinne von Vattenfall zu gestalten, wird mit den Ängsten der Kohlekumpel gespielt.

Bild: Kraftwerk Jänschwalde (Tobias Scheck/flickr.comCC BY 2.0)

Zuerst veröffentlicht in: Unsere Zeit, Nr. 14/2015

Bildquellen