Der Streik im öffentlichen Nahverkehr Brandenburgs ist vorerst beendet. Ende Mai wird über den gefundenen Kompromiss in einer Urabstimmung entschieden. An dieser Stelle veröffentliche ich meinen Artikel von Anfang Mai, als der Streik noch im Gange war.
Bus- und Bahnfahrer in Brandenburg streiken. Bei Redaktionsschluss waren sie mehr als eine Woche im Ausstand und ein Ende des Streiks war noch nicht abzusehen. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di teilte mit, dass die Arbeitgeber immer noch kein verhandlungsfähiges Angebot unterbreitet hätten. Nur in zwei Landkreisen fuhren Busse und Bahnen im normalen Takt.
Nachdem drei Verhandlungsrunden gescheitert waren und Warnstreiks keine Lösung gebracht hatten, erklärte ver.di die Verhandlungen für endgültig gescheitert und leitete die Urabstimmung ein. 93 Prozent der gewerkschaftlich Organisierten hatten sich dabei für einen unbefristeten Streik ausgesprochen.
Rund 3000 Beschäftigte im Brandenburger Nahverkehr sind in den Ausstand getreten. Ihre Forderung: Alle Entgeltgruppen sollen künftig 120 Euro brutto mehr im Monat bekommen. Für den Fahrdienst entspricht das einer Steigerung von knapp sechs Prozent.
Bei dem Streik gehe es auch darum, dass der Beruf des Bus- und Straßenbahnfahrers mehr anerkannt wird, so die Gewerkschaft. Im Land Brandenburg liegt der Einstiegslohn mit rund 1800 Euro brutto deutlich unter denen in anderen Bundesländern. Der Unterschied zum Saarland und Baden-Württemberg würde mindestens 300 Euro betragen, zu Bayern sogar 500 Euro. Selbst im mecklenburgischen Neubrandenburg bekomme der Busfahrer zu Beginn seiner Tätigkeit fast 200 Euro mehr als im Land Brandenburg.
Die Arbeitgeber lehnen diese Forderung ab. Mehr als eine Lohnerhöhung von monatlich 45 Euro in diesem und weitere 45 Euro im nächsten Jahr seien nicht drin, meinen sie. Dabei verweisen sie darauf, dass die Landesmittel für den öffentlichen Nahverkehr seit vielen Jahren ausbleiben. Es würden anders als in anderen Bundesländern keine eigenen Gelder der Landesregierung fließen und Bundesmittel seit Jahren zurückgehalten.
Ein Knackpunkt bei den gescheiterten Verhandlungen sei aber die Forderung der Gewerkschaft gewesen, dass ihren Mitgliedern ein Vorteil in Form eines kleinen Geldbetrages oder zwei zusätzlicher Urlaubstage eingeräumt wird. So eine Regelung sei schon in Tarifverträgen mit anderen Verkehrsgesellschaften vereinbart worden, sagte Streikleiter Marco Pavlik. Dieser Mitgliedervorteil sei aber für die Arbeitgeber ein rotes Tuch, weil auf diesem Wege die Gewerkschaft gestärkt werden könnte.
Nach Medienberichten wollen die Arbeitgeber ein neues Angebot unterbreiten. Bedingung sei aber, dass ver.di aufhöre, den Bonus für Gewerkschaftsmitglieder zu fordern. Die Gewerkschaft verteidigt diesen aber. Immerhin würden auch die Unorganisierten von neuen Tarifabschlüssen profitieren.
Durch den Streik ist der öffentliche Nahverkehr fast zum Erliegen gekommen. Um den Betrieb wenigstens teilweise aufrecht halten zu können, setzen die Verkehrsgesellschaften auf Subunternehmer, die nicht bestreikt werden können, oder versuchen, Streikbrecher einzusetzen. So habe z.B. die Geschäftsführung der Stadtverkehrsgesellschaft Frankfurt/Oder (SVF) mehrere Busse und Bahnen außerhalb des Betriebsgeländes abstellen und durch ein Sicherheitsunternehmen bewachen lassen, sagte Pavlik. Dort hätte man die Fahrzeuge nur kurzfristig blockieren dürfen, wodurch ein Streik in Frankfurt keinen Sinn gemacht hätte.
Die notwendigen Fahrer hätte die SVF gehabt, gibt die Geschäftsleitung zu. Sie habe eine Liste mit 30 Busfahrern, die bereit wären, trotz Streiks zu arbeiten. Außerdem hätten Führungskräfte der SVF schon am Sonnabend vor Beginn des Arbeitskampfs polnische Busfahrer eingewiesen, wie die Erdgastanks der SVF-Busse betankt werden, berichtete Pavlik weiter.
Die Uckermärkische Verkehrsgesellschaft (UVG) in Angermünde und Schwedt hat auch Versuche unternommen, Streikbrecher zu gewinnen. Zeitungsberichten zufolge bot UVG-Chef Lars Boehme jedem Streikbrecher 30 Euro pro Tag. Bei den Busfahrern in Angermünde und Schwedt hatte er damit wenig Erfolg. Allerdings sollen in Prenzlau die Hälfte und in Templin ein Viertel der Busfahrer ausgerückt sein.
In Cottbus scheint es mehr Einheit unter den Bus- und Bahnfahrern zu geben. Die Cottbuser Verkehrsbetriebe teilten mit, dass wohl keine Straßenbahn und kein Bus fahren werden. Nur der Schulverkehr soll aufrecht gehalten werden.
Zuerst veröffentlicht: Unsere Zeit, Nr. 19/2015 (08.05.2015)